REINER WANDLER ÜBER DEN WAHLAUSGANG IN ALGERIEN
: Hohler Sieg gegen Islamisten

Ein Aufatmen geht durch die westlichen Diplomatenstuben. Erstmals seit den Revolutionen in Tunesien und Ägypten gewannen die Islamisten eine Parlamentswahl in Nordafrika nicht. Die religiös-politische Formation, das Bündnis „Allianz für ein grünes Algerien“, ist nur auf Platz drei gelandet und erhält weniger Abgeordnetenplätze als noch vor fünf Jahren.

Ja, Algerien ist anders. Denn das Land hat seinen überwältigenden Islamistensieg bereits hinter sich. Es war 1992, als die Islamische Heilsfront (FIS) die Wahlen haushoch gewann. Die Armee übernahm daraufhin die Macht. Das Land versank in einem zehnjährigen, blutigen Konflikt. Das hat die Algerier tief geprägt.

Islamisten sind bei Weitem nicht mehr so attraktiv wie anderswo. Außerdem ist die eigentliche islamistische Kraft, die FIS, noch immer verboten. Die Allianz ist ein gezähmte, systemtreue Variante, die seit Mitte der 1990er das Land mitregiert. Die Wahlen sind damit ganz so ausgegangen, wie es sich Staatschef Abdelasis Bouteflika für seinen „algerischen Frühling“ wünscht.

Die Wahlbeteiligung – mit 42,9 Prozent deutlich höher als vor fünf Jahren – gibt Bouteflika sogar so etwas wie Legitimität für seine zaghafte Öffnung, hätte er nicht ein kleines Problem: Viele Algerier glauben den Zahlen nicht.

Der Teil der Opposition, der zum Boykott aufgerufen hat, spricht von einer reellen Wahlbeteiligung von gerade einmal 18 Prozent. Die leeren Wahllokale sind ein Indiz dafür, dass die Klagen berechtigt sein könnten. Und auch die Islamisten sehen den Grund ihres schlechten Abschneidens in einem „massiven Wahlbetrug“. Ob sich dies letztendlich beweisen lässt, spielt keine Rolle. Die Menschen in Bouteflikas Reich haben den Glauben an saubere Wahlen längst verloren.

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