Kommentar NRW: Betonfraktion will Kuschelkurs

Die Aufbruchstimmung der rot-grünen Minderheitsregierung in NRW ist verflogen. Die Koalitionsverhandlungen werden nicht mit der Härte geführt, die notwendig ist.

Nach außen hin geben sich die beiden Verhandlungsführerinnen gelassen. Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann sind sichtlich bemüht, Harmonie auszustrahlen. Doch hinter den Kulissen knirscht es bei den rot-grünen Koalitionsgesprächen in Düsseldorf. Nach ihrem Triumph bei der Landtagswahl haben die Sozialdemokraten massiv an Selbstbewusstsein gewonnen. Und das lassen sie ihren kleinen Bündnispartner spüren.

Besonders in der Energie- und Klimapolitik hakt es. In der SPD ist die Kohle- und Betonfraktion wieder auf dem Vormarsch. Sie will zurück zum Kuschelkurs gegenüber der Industrie und den Energiekonzernen, während sich die Grünen dagegen wehren, dass ihrem Umweltminister Kompetenzen und Mittel entzogen werden.

Für die nordrhein-westfälischen Grünen ist die Lage seit dem 13. Mai unkomfortabler geworden. Nach der Landtagswahl 2010 waren sie noch unverzichtbar für die SPD, die als zweitplatzierte Partei sonst Kraft nicht als Ministerpräsidentin hätte durchsetzen können. Jetzt haben sich die Gewichte verschoben. Rechnerisch haben die wiedererstarkten Genossen die freie Auswahl. Jenseits von Rot-Grün wären Koalitionen für sie nicht nur mit der CDU, sondern auch noch mit der FDP oder sogar mit den Piraten möglich. Das stärkt ihre Verhandlungsposition ungemein. Die Grünen werden Federn lassen müssen.

Anders als zu den Zeiten Clements und Steinbrücks, die seinerzeit offensiv mit dem Partnertausch zugunsten der FDP geliebäugelt hatten, ist alles andere als Rot-Grün trotzdem nur eine rein theoretische Option. Schließlich haben SPD und Grüne ihren Wahlerfolg nicht zuletzt dem Versprechen zu verdanken, ihre Koalition fortzusetzen. Auch mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr können sie nicht riskieren, ihre Gespräche mit der Härte zu führen, die ein Scheitern in Kauf nehmen würde. Aber die Aufbruchstimmung, die noch die rot-grüne Minderheitsregierung getragen hatte, ist verflogen.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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