KLAUS WOLSCHNER ÜBER DIE PRIVATISIERUNGSBREMSE IN BREMEN
: Im Norden wird umgedacht

In den 1990ern hat Bremen mit den Stimmen der großen Koalition die Stadtwerke (Strom, Gas, Wasser) verkauft, die zwei Wohnungsbaugesellschaften, das stadteigene Datennetz. Nur eklatant unrentable Betriebe wie der kleine Stadtflughafen oder der öffentliche Nahverkehr blieben von der Privatisierungsdiskussion verschont.

Die Privatisierungswelle sei ein Fehler gewesen, bekannte gestern der SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe. Nicht nur in Bremen wird heute über „Rekommunalisierung“ geredet. Das Geld, solche Betriebe wieder zurückzukaufen, hat allerdings keine Kommune in Deutschland, auch Bremen nicht. Mit einer Privatisierungsbremse wäre der Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge in den 1990er Jahren vermutlich nicht passiert – sie kommt insofern zu spät.

Wirklich? Verfassungsänderungen wie die der „Privatisierungsbremse“ lassen sich politisch mit Zweidrittelmehrheit nur durchsetzen, wenn sie scheinbar irrelevant sind. Rot-Grün könnte im Bremer Landesparlament auch ohne die Verfassungsänderung jede Privatisierung blockieren. Die Verankerung in der Verfassung ist ein „Vorratsbeschluss“ für andere Mehrheiten. In neoliberalen Zeiten gerieten zwei kommunale Beteiligungen nichts ins Visier: die Wohnungsbaugesellschaft Gewoba (ehemals Neue Heimat), in der sich zigtausend Wähler vor den Miethaien sicher fühlen, und die Beteiligung an der Bremer Landesbank. Wenn eine spätere Landesregierung diese beiden Gesellschaften versilbern will, muss sie sich eine gute Begründung einfallen lassen.

Der neue Passus in der Landesverfassung ist übrigens auch ein guter Schutz gegen Bundesverfassungsrichter, die im Falle des Berliner Verfahrens als Argument anführten, der Berliner Senat könne ja noch sein Wohnungseigentum verkaufen, um seine Kassenlage aufzubessern.

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