DIE STIMMEN DER ANDEREN
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■ El País (Spanien)

Militärische Intervention jetzt

Der von Wladimir Putin im Sicherheitsrat durch einen Blankoscheck geschützte Assad wird seinen Vernichtungsfeldzug nicht stoppen, solange es kein glaubwürdiges Ultimatum der demokratischen Mächte gibt. Sollte der syrische Bürgerkrieg andauern, könnte sich der Konflikt auf die gesamte Region ausweiten, das zeigen die jüngsten Vorgänge deutlich. Allein die große Zahl der Flüchtlinge – mehr als eine Million innerhalb Syriens und mehr als 300.000 in angrenzenden Staaten – droht Jordanien zu destabilisieren und den instabilen Libanon in einen Krieg zu verwickeln. Die schwerwiegende Entscheidung der Türkei sollte den Westen und die am stärksten betroffenen arabischen Länder endgültig zu einem Eingreifen bewegen, um die allseits beschämende Tragödie zu beenden. Besser unter Einbeziehung der UNO, aber notfalls auch ohne ihre Zustimmung.

■ Neue Zürcher Zeitung (Schweiz)

Türkei will keinen Krieg

Wenn die Regierung nun vom Parlament grünes Licht für grenzüberschreitende Militäraktionen erhalten hat, heisst das noch lange nicht, dass weitere Operationen bevorstehen. In gleicher Weise legitimierte das Parlament bereits mehrmals Aktionen der Armee gegen kurdische Rebellen im Nordirak. Die Türkei hat kein Interesse an einer Zuspitzung des Konflikts mit Syrien und wird nicht im Alleingang intervenieren. Sie ist an einem geordneten Übergang im Nachbarland interessiert, denn ein Machtvakuum oder gar eine territoriale Zersplitterung Syriens entlang ethnischen und konfessionellen Trennlinien könnte, vor allem im Hinblick auf die ungelöste kurdische Frage im eigenen Land, auch die Türkei destabilisieren.

■ Lidové noviny (Tschechien)

Die Granaten sind nicht wichtig

Erstens sieht die Türkei den Zwischenfall nicht als Angriff auf ihr Land an. Und zweitens fürchtet der Westen eine kollektive Aktion wie der Teufel das Weihwasser. Zusammengenommen bedeutet das: Die Türkei will Syrien nicht militärisch angreifen, aber doch militärisch seine Interessen dort verteidigen. Sie will das allein tun, nicht als Mitglied der Nato. Vorwände für einen Angriff gäbe es genügend. Aber darum geht es der Türkei nicht. Der Iran setzt auf die direkte militärische Unterstützung des Assad-Regimes. Die Türkei wiederum setzt ihren Einfluss über die rüstungstechnische Unterstützung der Rebellen durch. Vor diesem Hintergrund ist eine Granate – bei allem Respekt für die Opfer– eine Nichtigkeit.

■ The Guardian (Großbritannien)

Türkei muss Syrienpolitik überdenken

Die Türkei läuft Gefahr, immer tiefer in den syrischen Sumpf hineingezogen zu werden. Die Stimmung im Land ist schlecht nach den Granateneinschlägen, denn die negativen Folgen der fast einhelligen türkischen Unterstützung der syrischen Opposition werden immer deutlicher.

Die türkische Unterstützung für die syrische Demokratiebewegung war idealistisch und realistisch zugleich. Die AKP hatte den Eindruck, dass ihre eigene Legitimität, die auf ihrer demokratischen Glaubwürdigkeit basiert, nachhältig beschädigt werden könnte, würde sie die Demokratiebewegung bei den Nachbarn nicht unterstützen. Zudem rechnete Ankara damit, dass seinen längerfristigen wirtschaftlichen und strategischen Interessen am besten gedient ist, wenn man die Opposition unterstützte, in der Hoffnung, dass die Transformation schnell vonstattengehen würde. Zudem wollte Ankara eine Botschaft an Washington senden: Trotz aller Differenzen mit den USA bezüglich der Besetzung der palästinensichen Gebiete durch Israel und des iranischen Atomprogramm, wir gehören dem westlichen Lager an.

Die anderen großen Unterstützer der syrischen Opposition, Saudi-Arabien und die USA, haben das Privileg, „nach Hause gehen“ und Syrien seinem Schicksal überlassen zu können, sollte das Land im Anarchismus versinken. Diesen Luxus kann sich die Türkei leider nicht leisten. Ankara muss jetzt auf der Hut sein und seine Politik ernsthaft überprüfen. Ansonsten kann das Desaster in Syrien zu einer türkischen Katastrophe werden.

Quellen: eurotopics, The Guardian