LESERINNENBRIEFE
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Wer überprüft die Abgeordneten?

■ betr.: „Steinbrück erhielt 1,15 Millionen Euro“, taz vom 30. 10. 12

Was man gegenwärtig über die Nebeneinkünfte unserer Bundestagsabgeordneten erfährt, setzt mich in großes Erstaunen. In welchen anderen Berufszweigen sind solche Praktiken möglich? Wenn zum Beispiel ein Lehrer einen Abendkurs an der Volkshochschule anbieten oder ein paar Nachhilfestunden geben will, dann muss er das auf dem Dienstwege bei seiner Schulaufsichtsbehörde beantragen. Der Schulleiter hat dabei zu prüfen, ob durch solche Nebentätigkeit eine Beeinträchtigung der dienstlichen Belange zu befürchten wäre. Zudem werden Volkshochschulkurse und Nachhilfestunden kümmerlich genug bezahlt. Wenn hoch qualifizierte Wissenschaftler auf einem Kongress anspruchsvolle Fachvorträge halten, liegen die Honorare meist in der Größenordnung von ein- oder allenfalls ein paar hundert Euro; nicht selten wird auch erwartet, dass sie auf ein Honorar ganz verzichten. Wer prüft denn, ob unsere Abgeordneten die Pflichten sorgfältig erfüllen, die sie ihrem Arbeitgeber – nämlich dem deutschen Volk – schuldig sind?

ULRICH UFFRECHT, Buxtehude

Es hat sich nichts geändert

■ betr.: „Neonazi-Terror – ein Jahr später“, taz vom 2. 11. 12

Als im vorigen Jahrhundert in den späten 70er und frühen 80er Jahren Leser einer Regionalzeitung auf meine Leserbriefe eingingen, in denen ich mich für eine bessere Behandlung von Asylbewerbern einsetzte, musste ich erleben, dass ich das schwelende Feuer, das ich in meinem Umfeld ein wenig abzudecken oder gar zu löschen gehofft, geradezu angefacht hatte. Den Briefen fehlten selten Sätze wie „Ich habe nichts gegen Ausländer“, ein sicheres Anzeichen für zu erwartende leidenschaftliche Bekundungen rassistischer Vorurteile, welche die Schreiber vielleicht noch nie formuliert hatten, ehe sie sich von meinem Brief provoziert fühlten. (Ich beschloss am Ende, mich als regionaler ai-Flüchtlingsreferent auf meine Bemühungen um Einzelschicksale zu beschränken.)

Von taz-Lesern sind Reaktionen, wie ich sie seinerzeit wahrnahm, nicht zu erwarten. Dass aber die Redaktion es für angebracht hält, den NSU-Verbrechen, Umtrieben und Verhalten von Neonazis und dem Mangel an wirksamen Gegenmaßnahmen die Titelseite und sechs weitere ganze Seiten einer einzigen Ausgabe zu widmen, bestätigt meine Empfindung, dass sich in diesem Jahrhundert gegenüber dem vergangenen kaum etwas geändert hat, im Westen nicht, wo sich immer schon auch Rechtsextremisten der demokratischen Rechte und Freiheiten erfreuten, im Osten nicht, weil vor der Wende in der DDR Ausländerfeindlichkeit jahrzehntelang nicht laut werden durfte.

ERNST-GUST KRÄMER, Faulensiek

Worin liegt der Gewinn?

■ betr.: „Auf eigene Rechnung“, taz vom 31. 10. 12

Stefan Reinecke hat es auf den Punkt gebracht: „Es existiert eine ungute Verschleifung von Amt und privaten finanziellen Interessen.“

Dagegen hat Peer Steinbrück als Finanzminister den Interessen der BürgerInnen wohl weniger genutzt als geschadet. Nicht nur hat er sich für die „Deregulierung der Finanzmärkte“ eingesetzt, er hat darüber hinaus die „Öffentlich-Privaten Partnerschaften“ auf den Weg gebracht, die sich für die öffentliche Hand als Millionengräber erwiesen haben, wie auch die Rechnungshöfe inzwischen festgestellt haben. Worin liegt der Gewinn der Finanzmanager, dass sie derart hohe Honorare für den Redner Steinbrück zahlen? HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Die Gefahr der Verdrängung

■ betr.: „Bürger einbeziehen“, taz vom 23. 10. 12

In dem Artikel von Rebecca Harms wird zwar auch die Forderung der „Rückholmöglichkeit“ des Atommülls genannt. Da dieser Aspekt aber die einzig richtige Perspektive ist, wird die Dimension der Zeiträume, wo der Müll akribisch bewacht werden muss, überhaupt nicht erwähnt. Der hochaktive Abfall ist noch in einer Million Jahren so gefährlich wie jetzt der Müll in der Asse. Er darf erst gar nicht in irgendwelche „tiefen“ Schächte transportiert werden, sondern muss praktisch „ewig“ bewacht und die Müll-Behälter-Umhüllungen in größeren Abständen erneuert werden. Je tiefer ein Endlager praktiziert wird, je größer ist die Gefahr der Verdrängung, die auf Dauer zu einer „Endlösung“ führt – das heißt Vernichtung allen Lebens auf der Erde. Die Forderung für den Müll – erst recht für den hochaktiven Müll – darf nicht lauten: Eine besser organisierte Asse, sondern muss lauten: Überhaupt keine Asse.

DIETER KRÖGER, Hamburg