Kommentar Situation in Griechenland: Marsch zurück ins Elend

Das griechische Desaster steigert sich von Monat zu Monat. Das Land wird in jene Massenarmut zurückfallen, die mit dem Euro überwunden werden sollte.

Griechenland ist nicht nur pleite - es ist wirklich pleite. Das ist zwar eine Tautologie, aber anders lassen sich die neuesten Erkenntnisse des Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht zusammenfassen. Der Begriff "Pleite" kennt keine Steigerungsform, und dennoch steigert sich das griechische Desaster von Monat zu Monat.

Der IWF hat jetzt eingeräumt, was die "Märkte" bei den Kursen für griechische Staatsanleihen schon längst vorweggenommen haben: Ein Schuldenschnitt von 50 Prozent wird nicht reichen, um das Land zu sanieren. Man wird die Darlehen fast komplett abschreiben müssen.

Ein Totalverlust bei den Staatsanleihen ist schon dramatisch genug - und dennoch wird damit das eigentliche Drama in Griechenland nicht beschrieben. Denn die jetzigen Schulden sind in der Vergangenheit entstanden, und wenn sie erlassen werden, dann wird Vergangenheitsbewältigung betrieben. Völlig ungelöst ist: Wie soll die Zukunft Griechenlands aussehen?

Alle Reformen, die Griechenland bisher verordnet werden, sind richtig - und verschärfen doch die Rezession. Es ist richtig, dass tote Rentner keine Rente mehr bekommen. Aber ihre Nachfahren haben nun weniger Einkommen. Es ist richtig, dass der Staatsapparat verkleinert wird. Aber viele Griechen verlieren damit Lohn und Stelle. Es ist richtig, dass defizitäre Staatsunternehmen geschlossen werden. Aber wieder kostet es Jobs.

Am Ende dürfte nur der Tourismus übrig bleiben, der aber nicht alle Griechen ernähren kann. Das Land wird in jene Massenarmut zurückfallen, die mit dem Euro überwunden werden sollte. Politisch ist dies sehr gefährlich. Griechenland ist ein Experiment der unbekannten Sorte: Noch nie, nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde ein westeuropäisches Land so brutal und ausweglos ins Elend zurückgestoßen. Es wird Zeit, sich nicht nur mit den Schulden der Vergangenheit zu befassen - sondern auch mit der Zukunft Griechenlands.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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