KLAUS-HELGE DONATH ÜBER DAS DEMONSTRATIONSGESETZ IN RUSSLAND
: Monatsgehalt für eine Demo

Im Eilverfahren will die russische Duma ein Demonstrationsgesetz verabschieden, das Geldstrafen für Teilnehmer drastisch verschärft. Putins Kleptokratie will nun auch das Demonstrieren noch zu einem Vergnügen nur der Superreichen machen.

Angst geht um im Kreml, der das Projekt lancierte. Noch vor dem 12. Juni – der nächsten Großveranstaltung der Opposition – soll das Gesetz vorliegen. Die Initiatoren berufen sich auf Nachholbedarf. Bislang hinke die russische Gesetzgebung anderen europäischen Ländern hinter, behaupten die Legalisten des Unrechtsstaates. Recht haben sie ja: Die Strafen in der EU sind teilweise sogar noch höher. Was sie verschweigen: In Europa gibt es unabhängige Gerichte, die Zulassung von Kundgebungen hängt nicht vom Wohlwollen eines Beamten ab.

Das Gesetz zeugt von Torschlusspanik einer politischen Elite, die ein halbes Jahr nach den ersten Protesten immer noch keine Konsequenzen daraus zieht, dass sie selbst der Anlass des Widerstands ist. Vor allem aber weigert sie sich, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Legitimität der Duma wie auch des Präsidenten seit den Fälschungsvorwürfen schwer beschädigt ist. Jeder Versuch seitens der Amtsinhaber, in dieser prekären Situation die Gesetzeslage noch zu verschärfen, ruft die umstrittene Legalität ins Gedächtnis zurück. Zwangsläufig wird in den Augen der Bürger aus dem Gesetz ein Instrument zur Herrschaftserhaltung.

Das System Putin gibt es nicht mehr, die Chaotisierung der Verhältnisse findet unterhalb der Oberfläche real statt. Auch wenn Restbestände des Systems noch so tun, als wäre nichts gewesen. Tatsächlich verschärft das die brenzlige Lage noch, in der schon morgen nichts mehr so sein muss wie heute. Daher flieht Putin auch bei jeder Gelegenheit in die noch hörige Provinz – retten wird aber auch sie ihn nicht mehr.

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