„Für 98 Prozent ändert sich nichts“

ARD UND ZDF Hendrik Zörner (Deutscher Journalisten-Verband) begründet den Rundfunkbeitrag – und warum Intendanten mehr verdienen sollten als Merkel

■ ist seit 2002 Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbandes. Die Journalistengewerkschaft hat rund 38.000 Mitglieder. Zörner war zuvor Sprecher der Landesregierung in Niedersachsen.

INTERVIEW MARTIN REEH

taz: Herr Zörner, was haben Sie an Silvester gemacht – den „Silvesterstadl“ im Ersten mit Andy Borg gesehen oder die ZDF „Hitparty“ mit DJ Ötzi?

Hendrik Zörner: Weder noch. Ich habe mir das Feuerwerk in Berlin angeschaut, wo ich wohne.

Sie rechtfertigen in Ihrem Blog auf der Seite des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) den neuen Rundfunkbeitrag. Warum müssen wir für solche Sendungen zahlen?

Na ja, mir geht es nicht unbedingt darum, die Haushaltsabgabe zu verteidigen. Aber bei der ganzen Aufgeregtheit in der Debatte darf nicht übersehen werden: Qualitätsjournalismus muss im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine sichere Finanzierungsquelle haben. Und die Haushaltsgebühr ist eine solche sichere Finanzierungsquelle, ebenso wie zuvor die Geräteabgabe.

Verstehen Sie die Aufregung über den Rundfunkbeitrag, weil jetzt auch diejenigen bezahlen müssen, die sich vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk verabschiedet haben?

Ich kann das nur bedingt nachvollziehen. Diese Haushaltsgebühr hat natürlich Ungerechtigkeiten. Das galt allerdings für die alte Geräteabgabe genauso. Dass Betroffene, die kein Radio und Fernsehen haben und jetzt zur Kasse gebeten werden, darüber nicht glücklich sind, verstehe ich. Dass sie es als ungerecht empfinden, ebenfalls. Aber wir dürfen doch nicht übersehen: In Deutschland haben weit über 90 Prozent der Bevölkerung einen Fernseher, ein Radio oder beides. Schätzungen gehen sogar von 98 Prozent aus. Für sie ändert sich überhaupt nichts. Es ist in Ordnung, dass die jetzt Betroffenen ihrem Unmut Luft machen und sich zur Wehr setzen. Allerdings sollte man die Relation nicht außer acht lassen: Wir reden über 2 Prozent.

Gehen Sie davon aus, dass diese 98 Prozent auch ARD und ZDF nutzen?

Sie haben zumindest die Möglichkeit dazu.

Wenn 98 Prozent wirklich an der Nutzung von ARD und ZDF interessiert wären, ist die Lösung doch einfach, um die Aufregung zu beenden: ARD und ZDF schalten wie Sky den Zugang nur noch nach Bezahlung frei.

Das könnte man natürlich so machen. Aber das hätte ein anderes Rundfunksystem zur Folge – eines, das wir als DJV nicht wollen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist Teil der Grundversorgung. Das ist keine Erfindung von ARD und ZDF, sondern hat breiteste politische Mehrheiten in allen Jahrzehnten gehabt, ist durch die Rundfunkstaatsverträge geregelt und durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefestigt.

WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn hat den Rundfunkbeitrag als „Demokratieabgabe“ bezeichnet. Sehen Sie das auch so?

Diese Äußerung steht im Zusammenhang mit der Aufgeregtheit der Debatte. Und im Rahmen der Aufgeregtheit halte ich die Äußerung für legitim ...

... man könnte es auch für Arroganz der Macht halten, sich selbst zur unverzichtbaren Institution zu erklären und dafür Gebühren verlangen zu wollen …

… die Bedeutung des Journalismus von ARD und ZDF für diese Demokratie ist unbestritten. Natürlich darf man nicht so tun, als ob ohne ihn die Demokratie dem Untergang geweiht wäre. Deswegen ist diese Äußerung vielleicht ein wenig überzogen.

Aber Qualität findet bei ARD und ZDF, weil sie mit den Gebühren den Privaten Konkurrenz machen wollen, inzwischen zu nachtschlafender Zeit statt – ein Großteil, der vorher gesendet wird, ist verzichtbar.

Das Urteil maße ich mir nicht an. Und zwar schon deshalb, weil der Auftrag von ARD und ZDF nicht nur darin besteht, Information zu bieten, sondern einen Mix aus Information und Unterhaltung. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder kritisiert, dass das Pendel zu stark in Richtung Unterhaltung ausgeschlagen ist. Aber im Vergleich mit vielen Privatsendern finden Sie bei den Öffentlich-Rechtlichen immer noch ein sehr umfangreiches und qualitativ hochwertiges Informationsprogramm.

Vielleicht gibt es ja andere Möglichkeiten, um die Höhe des Rundfunkbeitrags zu senken. Warum müssen Intendanten der Öffentlich-Rechtlichen mehr verdienen als die Bundeskanzlerin?

Die Gehaltsstruktur der Intendanten dürfte mit der von Chefredakteuren großer Zeitungen vergleichbar sein – und sollte sich in dem Bereich auch einpendeln. Das Gehalt der Bundeskanzlerin ist da nicht unbedingt der richtige Vergleichsmaßstab.

Als der Rundfunkbeitrag unter Dach und Fach war, hat das ZDF die Champions-League-Rechte für 50 Millionen Euro gekauft. Musste das sein?

Manch eine Kaufentscheidung von ARD und ZDF für die Übertragung von Sportveranstaltungen sollte schon hinterfragt werden. In der Vergangenheit sind exorbitante Summen an die Vereine hinübergereicht worden. Aber man darf auch nicht übersehen, dass ARD und ZDF keine Nischensender sind. Sie haben ein Massenpublikum, das solche Ereignisse in diesen Sendern übertragen sehen will.

Wozu brauchen wir die vielen Landessender der ARD?

Im einen oder anderen Fall können Zusammenschlüsse sinnvoll sein. Das ist aber keine Entscheidung, die sich eine Zentrale anmaßen sollte – weder wir als Journalistenverband noch die Bundespolitik. Diese Entscheidung müssten die Sender und die Anstalten untereinander treffen.

Warum sollten sie jetzt einen Anreiz dazu haben? Selbst die Abschaffung des eigenen Fernsehers reduziert den Gebühreneingang bei ARD und ZDF ja nicht mehr.

Zeigen Sie mir doch jemanden, der wegen ARD und ZDF den Fernseher abschafft.

Zumindest gibt es viele, die es nicht mehr für notwendig gehalten haben, zu zahlen. Darin drückt sich doch eine gewisse Wertschätzung des Programms aus.

Es gibt auch eine große Anzahl von Menschen, die es nicht für notwendig halten, vor dem U-Bahn-Fahren ein Ticket zu lösen. Dennoch laufen sie Gefahr, erwischt zu werden. Gleiches gilt für die sogenannten Schwarzseher.