ULRIKE HERRMANN ÜBER DAS AUSFALLEN DER EUROKRISE
: Das kleine Plus ist nicht viel wert

Die guten Zahlen markieren nur eine Pause, keine Trendwende

Ist die Eurokrise jetzt vorbei? Zunächst sieht es so aus: Seit Herbst 2011 ist die Wirtschaft in der Eurozone immerzu geschrumpft – aber nun ist sie zum ersten Mal wieder ein bisschen gewachsen. Um 0,3 Prozent legte sie von April bis Juni zu.

Dieses kleine Plus ist erfreulich, bedeutet aber leider nicht, dass die Eurokrise beendet wäre. Die guten Zahlen markieren nur eine Pause, keine Trendwende. Dies zeigt schon ein Blick auf die Krisenländer: Griechenland und Zypern schrumpfen weiter – und zwar unverändert rasant. Eine wirkliche Besserung ist nur in Portugal zu beobachten, dessen Wirtschaft plötzlich um 1,1 Prozent zulegte. Doch auch dieser positive Ausreißer scheint eher zufällig zu sein: Ostern lag in diesem Jahr früh, sodass der Tourismus einige Wochen eher einsetzte.

Auch die Deutschen sollten sich nicht zu früh freuen. Im zweiten Quartal wuchs die hiesige Wirtschaft zwar um 0,7 Prozent, aber auch dies ist eher eine optische Täuschung. Wie sich jeder erinnern wird, war der Winter lang und kalt, sodass die Bauindustrie erst spät starten konnte. Perspektivisch ändert sich gar nichts: Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr weitgehend stagnieren.

Allerdings beruht das kleine Plus nicht nur auf Zufälligkeiten wie einem Osterdatum oder der Witterung. Eine strukturelle Veränderung gab es nämlich: Die Eurozone hat insgeheim ihren Sparkurs aufgegeben. Portugal, Spanien, Italien, Frankreich und den Niederlanden wurde gestattet, höhere Defizite zu machen. Prompt ging es aufwärts.

In einer gerechten Welt müsste Kanzlerin Merkel also zugeben, dass ihr Sparkurs falsch war. Leider ist das Gegenteil zu erwarten: Die Sparfanatiker werden behaupten, dass es ihrer Strenge zu verdanken sei, dass es nun Wachstum gibt. Und viele Deutsche werden das glauben.

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