GASTKOMMENTAR VON OLIVER GEDEN ZUM EU-BESCHLUSS ZUM EMISSIONSHANDEL
: Reform abgesagt

Ein vorübergehendes Herausnehmen überschüssiger Zertifikate wird kaum einen Effekt haben

Nach 18 Monaten quälender Debatte hat das Europaparlament für das „Backloading“ im EU-Emissionshandel (ETS) gestimmt. Der Ministerrat wird nächste Woche folgen. Für Anhänger einer ehrgeizigen Klimapolitik ist klar, dass dies nur ein erster Schritt sein kann. Ein vorübergehendes Herausnehmen überschüssiger Zertifikate wird kaum einen Effekt haben. Will man in der Handelsperiode bis 2020 höhere ETS-Preise erreichen, müsste man weitere Maßnahmen ergreifen. Die EU-Kommission hat unter dem Stichwort „strukturelle Reform“ bereits vor einem Jahr sechs Optionen zur Diskussion gestellt.

Inhaltlich wäre es nur logisch, Backloading als Einstieg in eine Reform des Emissionshandels zu begreifen. Betrachtet man den Prozess aber politisch, muss man die Backloading-Entscheidung eher als Ersatz für eine strukturelle ETS-Reform interpretieren. Bei einer Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten und des EU-Parlaments herrscht die Auffassung vor, dass Backloading niemandem wirklich weh tut, da die CO2-Preise nur kurzfristig ansteigen. Aber man habe den Beweis angetreten, der Krise des zentralen Instruments der EU-Klimapolitik nicht einfach tatenlos zuzusehen.

Der weitere Verlauf ist leicht zu prognostizieren: Im Januar wird die EU-Kommission einen konkreten Gesetzgebungsvorschlag zur strukturellen ETS-Reform präsentieren. Das Parlament wird sich mit den Beratungen viel Zeit lassen, der Ministerrat wird eine Entscheidung bewusst verschleppen. Dies lässt immerhin einen Korridor für den klassischen klimapolitischen Hoffnungsdiskurs. Irgendwann beschließen die Staats- und Regierungschefs dann, die Frage der ETS-Reform in die Debatte über Energie- und Klimaziele für 2030 zu integrieren. Ergebnis: Eine Reform in der laufenden Handelsperiode fällt aus.

■ Oliver Geden ist Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Wirtschaft + Umwelt SEITE 8