CHRISTIAN JAKOB ÜBER DIE AUFNAHME SYRISCHER FLÜCHTLINGE
: Deutsche Kapazitäten

Vor 14 Monaten war es, da beschloss Deutschland zum ersten Mal, 5.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen – und zwar ohne dass die sich auf gefährlichen Wegen nach Deutschland durchschlagen müssen. Erst am heutigen Donnerstag kommen die letzten von ihnen per Charterflug hier an – dermaßen kompliziert war das Verfahren für die sogenannte humanitäre Aufnahme. Schnelle Hilfe sieht anders aus.

Das zweite, vor knapp einem halben Jahr beschlossene 5.000er-Kontingent war größtenteils für Menschen reserviert, die „Bezüge nach Deutschland“ haben: Im Vorteil war dabei, wessen Familienangehörige sich bereit erklärt hatten, sich an den Aufnahmekosten beteiligen. Von denen ist bis heute fast keiner hier.

Dass die Bundesregierung jetzt, drei Jahre nach Ausbruch des Krieges, die Plätze für Menschen aus den völlig überfüllten Lagern in Syriens Nachbarländern aufstocken will, ist überfällig – auch wenn die im Raum stehende Zahl von 10.000 nach wie vor in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zur Kapazität Deutschlands steht. Die Aufnahme darf nicht wieder vom Geldbeutel der Verwandten abhängig gemacht werden. Und vor allem muss es diesmal schneller gehen: Wenn die nächste Aufnahmerunde genauso langsam läuft wie die ersten, müssen die Flüchtlinge bis zum Herbst 2015 warten.

Nur ein winziger Teil der Flüchtlinge wird „First Class“ im Rahmen solcher Aufnahmeprogramme nach Europa gebracht werden. Viele werden deshalb auch weiter versuchen, auf anderen Wegen die geschlossenen Grenzen zu überwinden. Fast jeden Tag sterben dabei Menschen im Mittelmeer – und Deutschland trägt hieran eine erhebliche Mitverantwortung. Die Aufnahme eines kleinen Kontingents ändert daran nichts.

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