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FRIEDENSNOBELPREIS Die Aktivisten Malala Yousafzai und Kailash Satyarthi verdienen die Auszeichnung fraglos. Trotzdem bleibt ein Beigeschmack

VON SVEN HANSEN

Natürlich haben die beiden Friedensnobelpreisträger 2014 diese Auszeichnung hoch verdient. Die pakistanische Aktivistin für das Recht auf Bildung, Malala Yousafzai, und der indische Aktivist gegen Kinderausbeutung, Kailash Satyarthi, haben mit großem persönlichem Mut und langjährigem Beharrungsvermögen wichtige Arbeit geleistet und damit im Interesse auch künftiger Generationen auf massive gesellschaftliche Probleme hingewiesen. Dies mit dem nobelsten aller Preise zu honorieren ist richtig und kann ihrer Sache weiterhelfen. Gerade auch angesichts der Masse von blutigen Konflikten dieser Tage, da die unerträgliche Situation vieler Kinder schon in Friedenszeiten viel zu oft in den Hintergrund gedrängt wird.

Auch die Vergabe des Preises an zwei Aktivisten aus zwei südasiatischen Nachbarländern, die sich feindlich gegenüberstehen und an deren gemeinsamer Grenze in der umstrittenen Kaschmir-Region es dieser Tage wieder tödliche Schusswechsel gibt, lässt sich als friedenspolitisches Signal verstehen. Dies gilt auch angesichts der unterschiedlichen Religionen der Preisträger – sie ist Muslima, er Hindu.

Und dennoch hat die Entscheidung einen Beigeschmack.

Denn mutlos umschifft das Nobelkomitee damit unangenehme Fragen. Niemand mit gesundem Menschenverstand spricht sich offen gegen gleichberechtigte Bildungschancen für Mädchen und gegen die Ausbeutung von Kindern aus. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Und mit einem Preis auf eine Selbstverständlichkeit hinzuweisen ist stets auch wohlfeil und Bauchpinselei.

Gut fühlen kann sich zunächst einmal das Nobelkomitee selbst. Obwohl viele kritische Stimmen jüngst forderten, angesichts der vielen ungelösten Konflikte in diesem Jahr ganz auf die Vergabe des Preises zu verzichten, hat das Gremium mit seiner Wahl jetzt einen guten Grund präsentiert, warum eine Preisvergabe trotzdem sinnvoll sein kann. Böswillig formuliert: Lass Kindern helfen, denn das hilft deinem angeschlagenen Ruf.

Gut fühlen können sich auch die westlichen Industrieländer, wieder einmal. Da die Preisträger aus Südasien kommen, scheint das Problem extrem ungleicher Bildungschancen und zerstörter Kindheiten weit entfernt. Großzügig wird ein hochdotierter Preis an mutige Aktivisten vergeben, die im Süden für eine Gerechtigkeit kämpfen, die auch westlichen Vorstellungen entspricht. Satyarthi ist hier ein wichtiger Vorreiter. Und was gibt es Unschuldigeres als ein 15-jähriges Mädchen, das Opfer eines brutalen Angriffs fanatischer Taliban wurde?

Dass aber ein anderer Friedensnobelpreisträger, nämlich Barack Obama, mit seinen Drohnenangriffen in Pakistan auch immer wieder unschuldige Kinder töten lässt, wollen wir lieber nicht wissen.

In Pakistan, wo Malala Yousafzai von Islamisten schon als CIA-Agentin angefeindet und mit vielen anderen unsinnigen Verschwörungstheorien in Verbindung gebracht wird, fällt dieses Messen des Nobelkomitees mit zweierlei Maß negativ auf. Hinzu kommt Neid – und schon hat der Preis für die Preisträgerin in ihrer Heimat nur noch zweifelhaften Nutzen.

Mit der diesjährigen Entscheidung wurden alle Probleme und Konflikte ausgespart, die es in den wohlhabenden Staaten und Gesellschaften gibt. Das wäre bei einer Auszeichnung etwa von Edward Snowden anders gewesen. Ein Nobelpreis für den amerikanischen Whistleblower, den der ebenfalls dekorierte Obama als Staatsfeind behandeln lässt, hätte in den westlichen Ländern die Fetzen fliegen lassen.

So aber sind nur Sonntagsreden, nette Fotos von Politikern mit den Preisträgern und vielleicht noch die ein oder andere UN-Resolution zu erwarten. Die wieder einmal folgenlos bleiben dürften. Wie gesagt: Trotzdem haben Yousafzai und Satyarthi die Auszeichnung verdient. Herzlichen Glückwunsch!