ANDREAS BEHN ÜBER DIE PRÄSIDENTSCHAFTSWAHL IN BRASILIEN
: Das Alte hat verloren

Bei dieser Wahl ging es nicht um Wende oder Erneuerung, um „dritte Wege“ oder Amtsmüdigkeit. Das haben nur die völlig einseitigen Privatmedien herbeigeschrieben. Auch ging es nicht um Korruption, denn alle wissen, dass Rousseffs PT wie auch die PSDB vom Herausforderer Aécio Neves korrupt sind. Es ging auch nicht um Wirtschaftsprobleme, denn beide Parteien verfolgen eine recht rücksichtslose Wachstumspolitik, die sich kaum für Ökologie oder Menschenrechte interessiert.

Es ging lediglich um die Wahl zwischen zwei Verteilungsmodellen, die Lateinamerika und auch Brasilien zur Genüge kennen: das alte, bei dem fast alle Staatseinnahmen den Bessergestellten zugutekommen. Oder das neue, bei dem mittels Sozialleistungen Arme erstmals am gesellschaftlichen Reichtum beteiligt werden.

Ein Sieg des unternehmerfreundlichen Neves hätte in Sachen Sozialpolitik und aufgrund seiner Koalitionspartner auch bei anderen Themen ein Rollback eingeläutet. Auch Rousseff ist kaum mehr als das kleinere Übel. Aber nichts dient der notwendigen Kritik weniger als ihre Abwahl und Ersetzung durch eine Regierung, die einfach nur die Uhren zurückdreht.

Die Wahl hat aber auch gezeigt, wie ernst der Disput zwischen den beiden Verteilungsmodellen ist. Erstmals hat die Rechte versucht, einen regelrechten Hass auf die PT zu schüren und Rousseff als Gefahr für das Land darzustellen. Mithilfe der Medien ist das teilweise geglückt. Damit rückt Brasilien in Richtung einer gesellschaftlichen Spaltung, wie sie aus Venezuela oder Ecuador bekannt ist. Rousseff und ihr Vorgänger Lula haben stets alles daran gesetzt, einer solchen Spaltung vorzubeugen. Statt sich auf ihr Regierungsprogramm zu konzentrieren, wird Rousseff viel Kraft investieren müssen, um diesem Hass den Wind aus den Segeln zu nehmen.

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