urdrüs wahre kolumne
: Kleingärtner vereinigt euch!

Es waren offensichtlich kunstgeschichtlich vorbelastete Täter, die in Hannover in einen Reitstall einbrachen und die dort befindlichen Pferde mit blauer Farbe aus Feuerlöschpulver colorierten und mit diesem „Turm der blauen Pferde“ ihre Anwartschaft auf Mitgliedschaft in der Künstlervereinigung „Die Brücke“ einforderten. Ich glaube ja, man sollte so was nicht machen – es könnte bei den Tieren eine Identitätskrise auslösen.

Auch an trüben Tagen haben manche Menschen ein sonniges Gemüt. Zum Beispiel jener Bremer, der in der Sögestraße die Bemühungen eines Straßenmusikanten um eine Violin-Interpretation des „Säbeltanzes“ so kommentierte: „Wenn ich je gezwungen wäre, andere mit so einem Geschrammel zu quälen – ich würde mich glatt erschießen!“ Gern hätt’ ich ihm meine Pistole zur Verfügung gestellt, aber immer wenn man es mal braucht, hat man sowas gerade nicht dabei … Übrigens trug der Kulturkritiker eine dieser teuren Wachstuch-Jacken und eine Tüte aus dem Feinkosthaus, aber das haben Sie sich zu diesem mutmaßlichen FDP-Wähler wohl schon gedacht. Mehr Herzensbildung bewies Minuten später meine Tischnachbarin im Fischrestaurant „Knurrhahn“: Während ich lediglich Seelachsfilet mit Kartoffelsalat bestellt hatte, ließ die Dame aus der Generation 70 plus mir durch die Kellnerin noch eine Portion Remoulade bringen: „Schmeckt doch sonst nicht, junger Mann. Man kann es mit dem Geiz auch übertreiben!“

In Hamburg-Billwerder soll ein Gewerbegebiet entstehen. Dafür sollen rund 200 Parzellisten aus ihrem sozialen Biotop vertrieben werden, darunter auch solche, die hier dauerhaft leben. Da rufen wir in Kleingärtnersolidarität zum Aufstand unter dem Symbol des Roten Maulwurfs, der mit seinem Klappspaten noch jedes Babylon zu Fall gebracht hat: Laubenpieper vereinigt euch! Ihr habt nichts zu verlieren außer Euren Bohnenstangen – und zu gewinnen eine Welt der Kürbisse, Grills und Schlangengurken!

Von Hamburg nach Berlin in knapp zwei Stunden, das ist ja heute kein Problem mehr. Zu einem Problem kann aber werden, wenn man auf der Reise damit geschlagen wird, die Gespräche von zwei Verkaufsleitern für was auch immer zu verfolgen, die sich über ihre Kollegen auslassen und dabei solche Sätze von sich geben: „Ich hab dem Norbert immer wieder gesagt, du verkaufst ja keine Scheiße, du verkaufst was Gutes. Das Beste. Das Optimum am Markt. Da musste dich grademachen, da kannste nicht innerlich und äußerlich den nassen Sack geben. Und? Was hat er gemacht? Trägt dunkelgrüne Wildlederschuhe zum blauen Anzug. Ich denk’, ich werd nicht wieder, das musste dir mal reinziehen: grüne Wildlederschuhe und blauer Anzug. Natürlich Nullproduktion. Ich hätte den ja längst verklappt, aber beim Quartalsbericht, da lass’ ich ihn jetzt auffliegen. Dann können die gar nicht anders, dann ist er weg und kann Strukturvertrieb machen oder Direktverkauf bis zur Vergasung.“ Auch dieser Mensch wurde dereinst von einer liebenden Mutter gesäugt und vielleicht gar vom Vater mit Beatles-Liedern in den Schlaf gesungen – genutzt hat beides nichts.

Auf Wiederlesen wohl erst in zwei Wochen – bin dann mal weg ... Und verbleibe herzlichst ULRICH „Eisenbahner“ REINEKING

ULRICH REINEKING, Journalist, Kabarettist und Vielreisender, hat seine Zeit als Straßenmusikant lange hinter sich.