VW aus Landesobhut entlassen

Nach dem Volkswagen-Urteil vertraut Niedersachsen auf den Großaktionär Porsche. Die SPD sieht die Interessen des Bundeslandes geschwächt. Grüne: Nicht Landesanteile, sondern wettbewerbsfähige Autos sichern Jobs

Am Tag als der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Weg dafür frei machte, dass der Volkswagen-Konzern aus der Obhut des Landes Niedersachsen in die Arme von Porsche getrieben werden kann, reagierte der Betroffene mit größtmöglicher Gelassenheit. VW sei „durch die Beteiligungen der Porsche AG und des Landes Niedersachsen vor dem Zugriff von Finanzinvestoren geschützt. Gegen Eigentümer mit mehr als 50 Prozent kann man nicht spekulieren“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), dessen Einfluss im VW-Aufsichtsrat nach der vom EuGH angemahnten Neufassung des VW-Gesetzes schwinden dürfte. Bislang hatte Wulff argumentieren können, allein die knapp 21-prozentige Landesbeteiligung schütze den Konzern mit Werken in Wolfsburg, Hannover, Emden, Salzgitter und Braunschweig vor Einfluss von außen. Genau das hatte der EuGH kritisiert.

Das Urteil mache es „schwieriger, die niedersächsischen Interessen in Zukunft zu vertreten“, sagte dagegen SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner. Porsche sei „zwar ein zuverlässiger Partner“, sagte Jüttner. Aber für die Stuttgarter, die nach dem Urteil ankündigten, ihren VW-Anteil kräftig aufzustocken, stünden „sicher nicht die Belange Niedersachsens im Mittelpunkt“. Arbeitnehmer und Land hätten im Aufsichtsrat noch die Mehrheit, um Standortschließungen zu verhindern. Ex-Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) forderte Wulff auf, den Landesanteil auf 25 Prozent zu erhöhen, um sich weiter eine Sperrminorität zu sichern. Alles andere würde die „Selbständigkeit von VW aufs Spiel setzen“, sagte der amtierende Bundesumweltminister in seiner Funktion als Braunschweiger SPD-Chef.

Wulff betonte hingegen, Niedersachsen bleibe weiterhin mit zwei Mitgliedern im Aufsichtsrat vertreten. Angesichts der geringen Präsenz auf den Hauptversammlungen verfüge das Land auch künftig über eine Sperrminorität. Wie Wulff hielten auch die Grünen eine kreditfinanzierte Erhöhung des Landesanteils nicht für sinnvoll. Nicht die Landesbeteiligung, sondern „wettbewerbsfähige Produkte“ seien „der entscheidende Schlüssel für die Sicherung der Arbeitsplätze in Niedersachsen“, sagte Fraktionschef Stefan Wenzel. Der Porsche-Einstieg sei „eine Chance“, weil Hedgefonds jetzt keinen Fuß auf den Boden bekämen. „Diese Chance“, sagte Wenzel, „muss man jetzt nutzen, um das umweltfreundlichste Auto der Welt zu bauen.“ KSC

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