Der „Bruder vom alten Haus“ ruft an

Im Prozess gegen Redouane E. H. hat die Ex-Frau des flüchtigen Said Bahaji ausgesagt. Ob sie Anfang 2006 E. H. traf oder doch einen anderen Al-Qaida-Verbindungsmann, ist unklar. Die Staatsanwaltschaft stört sich daran nicht

Es war nur eine kurze Begegnung: Am Batterienstand eines Hamburger Elektronikmarkts übergab die junge Frau einem ihr unbekannten Mann einen Brief, geredet wurde kaum etwas. Beide trennten sich eilig, die Frau musste ihr Kind abholen. Von dem Treffen im Januar 2006 berichtete die Frau gestern vor dem Schleswiger Oberlandesgericht. Verhandelt wird hier gegen Redouane E. H. Der 37-Jährige soll im Jahr 2006 Selbstmord-Attentäter für al-Qaida angeworben und Geld ins Ausland transferiert haben sowie an der Gründung einer terroristischen Gruppe beteiligt gewesen sein.

Die Begegnung im Kaufhaus ist wichtig, weil E. H. durch sie ins Visier der Fahnder geriet. Denn die 26-Jährige war verheiratet mit Said Bahaji, dem enge Kontakte zur „Hamburger Zelle“ um Mohammed Atta unterstellt werden. Bahaji ist seit Jahren auf der Flucht.

Auch seine damalige Frau kam an ihren Mann nicht heran: „Die Kommunikationswege waren abgeschnitten“, erklärte sie dem Gericht. Ihr Telefon und ihre E-Mails seien überwacht worden: „Das war ja klar. Auch Said muss das gewusst haben.“ Dennoch hoffte sie auf einen Kontakt: um ihrem Mann mitzuteilen, dass sie die Scheidung wollte.

Auch sie selbst war nach dem 11. September 2001 ins Rampenlicht gerückt, hatte Prozesse und Medienberichte erdulden müssen. Gestern achtete sie darauf, ihr Gesicht unter dem Kopftuch vor den Zuschauern zu verbergen. Als Anfang 2006 ein arabisch sprechender Mann bei ihr angerufen habe, sagte die Frau, sei sie kaum überrascht gewesen: „Ich hatte auf so was gewartet.“ Der Anrufer kündigte an, jemand werde sich bei ihr melden.

Doch das erste konspirative Telefonat ging daneben: Die Frau verwechselte den Anrufer. Beim zweiten Versuch klappte es dann: „Ich bin ein Bruder vom alten Haus“, stellte der Mann sich laut einem Mitschnitt des Telefonats vor. Die Bezeichnung „altes Haus“ sagte der Zeugin nichts, sie verstand aber, dass es um ihren Mann ging, und sie verabredeten das Treffen. Ihr sei es wichtig gewesen, ihren Brief abzugeben, sagte sie gestern: Der Anrufer habe gesagt, er werde Bahaji treffen.

Ob es tatsächlich Redouane E. H. war, dem sie damals begegnete, konnte die Frau nicht sagen. Das sei auch nicht entscheidend, erklärte Oberstaatsanwalt Matthias Krauß in einer Prozesspause: „Wir beweisen das durch andere Dinge.“ Unter anderem durch eine Überwachungskamera im Kaufhaus und weil Gespräche von E. H.s Telefon kamen. Für die Staatsanwaltschaft ist klar: Wenn E. H. vertraut genug mit Bahaji war, um einen Brief zu überbringen, muss er seinen Aufenthaltsort gekannt und damit Kontakt zu al-Qaida haben.

Der Prozess könnte zum Jahresende abgeschlossen sein. Demnächst starten Verfahren gegen zwei Männer, die zusammen mit E. H. die Gründung einer terroristischen Gruppe geplant haben sollen. Auch diese Prozesse finden in Schleswig statt. ESTHER GEISSLINGER