Ein Künstler im Krieg

„Ihr werdet euch noch alle wundern. Hier kommt noch mal eine Plakette ans Haus.“ Der 1921 in Hamburg-Eppendorf geborene Wolfgang Borchert wusste schon recht früh, wie sein Leben verlaufen sollte. Mit fünfzehn schreibt er erste Gedichte. Sein Vater, ein Volksschullehrer, war indessen nicht überzeugt, dass in seinem Sohn ein Talent steckt. Im Jahr 1939 beginnt Borchert mit der Ausbildung zum Buchhändler, um den Wunsch seiner Eltern zu folgen. Trotzdem bleibt er seinem Vorhaben, als Künstler berühmt zu werden, treu.

Als er 1941 von der Landesbühne Hannover engagiert wird, bricht er die Lehre ab. Die schönste Zeit seines Lebens, sagt Borchert später über die drei Monate, in denen er mit der Landesbühne durch Norddeutschland tourt.

Im Juni 1941 die Einberufung zur Wehrmacht. Wie viele Altersgenossen wird er an die Ostfront geschickt. Hier sieht Borchert zum ersten Mal die menschenverachtende Kriegsmaschinerie der Nazis. „Ich empfinde die Kasernen als Zwingburgen des dritten Reiches. – Ich fühle mich selbst als wesenlosen Kuli der braunen Soldatseka“, schreibt er nach Hause. Sein Leben besteht aus Krieg, Lazarett und Anklagebank. Genau zwei Mal sieht Borchert in dieser Zeit seine Heimatstadt Hamburg. Er nutzt die kurzen Genesungsurlaube, um im Hamburger Bronzekeller, einem Künstlerlokal, mit Chansons und Kabarettstücken aufzutreten. Während er 1944 in Untersuchungshaft sitzt, hat er endlich Zeit und Ruhe seine Erlebnisse schriftlich aufzuarbeiten. Er schreibt von 1945 bis zu seinem Tod, am 20. 11. 1946, wie ein Besessener. Borcherts Prosa war in der Trümmerliteratur ein Vorreiter. Seine Kurzgeschichten kennt heute jeder Gymnasiast. Als er mit 26 im Baseler Clara-Spital an Leberversagen, als Folge von mehreren Infektionskrankheiten, starb, hatte er sein Lebensziel, berühmt zu sein, erreicht.THOMAS EWALD

WOLFGANG BORCHERT, Schriftsteller und Schauspieler starb heute vor 60 Jahren an den Folgen der Gelbsucht. Sein bekanntester Text ist „Draußen vor der Tür“ FOTO: DPA