Ausgeschaltete Sicherheitsvorrichtung

Im Prozess um das Transrapid-Unglück lehnt das Landgericht Osnabrück einen Gutachter wegen Befangenheit ab. Anderer Experte beklagt gravierende Missachtung der Vorschriften und Schlamperei im Leitstand

Auf der Transrapid-Teststrecke im Emsland hat es vor dem verheerenden Unglück nach Gutachter-Ansicht eine gravierende Missachtung von Sicherheitsvorschriften gegeben. Die Sicherung zur Vermeidung von Zusammenstößen sei nur sporadisch genutzt worden, erklärte der Eisenbahn-Gutachter Klaus-Dieter Wiegand am Mittwoch im Landgericht Osnabrück. Dort müssen sich die beiden Betriebsleiter wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Am 22. September 2006 war ein Transrapid auf einen auf der Strecke vergessenen Werkstattwagen geprallt. 23 Menschen starben, elf wurden verletzt.

„Für mich hat es den Eindruck der Zufälligkeit gehabt“, sagte Wiegand zur Nutzung der elektronischen Fahrwegsperre, die auf der Testanlage zur Unfallvermeidung installiert war. Mal sei sie genutzt worden, mal nicht. Dem Gutachter zufolge war das Vier-Augen-Prinzip auf dem Leitstand nicht richtig umgesetzt worden. Auch das GPS-System zur Ortung des Werkstattwagens sei von dem zweiten Mann nicht beachtet worden.

Die Anklage wirft den beiden Betriebsleitern vor, durch mangelhafte Organisation für das Unglück mitverantwortlich zu sein: Wäre die Fahrwegsperre genutzt worden, wäre es nicht zu dem Unglück gekommen.

Zwei mit der Überwachung der Teststrecke beauftragte TÜV-Ingenieure hatten zuvor ausgesagt, dass die Verwendung der Fahrwegsperre klar in den Arbeitsanweisungen vorgeschrieben gewesen sei. Die Bestimmung sei unmissverständlich formuliert gewesen sei. Allen Beteiligten hätte klar sein müssen, dass die Regelung beachtet werden muss. Die Bedienung der Technik sei unter Aufsicht des TÜV geübt worden.

Noch nicht geklärt ist, ob der zum Unglückszeitpunkt diensthabende Fahrdienstleiter vor Gericht befragt werden kann: Wegen Selbstmordgefahr galt er zunächst als nicht verhandlungsfähig. Nachdem bekannt geworden war, dass der Mann wieder auf der Teststrecke arbeitet, soll seine Verhandlungsfähigkeit neu geprüft werden. Er hatte die Strecke für die Magnetschwebebahn freigegeben, ohne zuvor den Werkstattwagen vom Fahrweg zu beordern.

Das Gericht hatte zum Auftakt des Prozesstages zunächst auf Antrag der Verteidigung einen Gutachter des Eisenbahnbundesamtes als Sachverständigen abgelehnt: Der Mann habe bereits vor dem Unglück an Besprechungen über die Sicherheit der Teststrecke teilgenommen, sagte der Vorsitzende Richter. Daher bestehe die Gefahr der Befangenheit. Der Experte soll nun als Zeuge gehört werden. Die Plädoyers sind für kommenden Mittwoch geplant. DPA/TAZ