Zahlen, wechseln oder klagen

Lawine bei den Energiekosten: Pünktlich zu Beginn der Heizperiode erhöhen die Stadtwerke in Hannover die Gaspreise um 22,1 Prozent – und halten das für moderat. In Bremen und Hannover haben sich Energierebellen zusammengeschlossen

von KAI SCHÖNEBERG

Die Stadtwerke in Hannover betreiben eine „sehr moderate, ausgewogene Preispolitik“. So nennt Vorstandschef Michael Feist den Aufschlag von satten 22,1 Prozent, den die Bürger der Landeshauptstadt pünktlich zum Beginn der Heizperiode ab 1. Oktober mehr für Gas zahlen müssen. „Danach geben wir sechs Monate Preisgarantie – ich denke, das ist keine Selbstverständlichkeit“, formulierte Feist neue Selbstverständlichkeiten in dem von wachsenden Bezugspreisen und steigenden Entgelten für die Netznutzung geplagten Energiemarkt. Die Kunden reagieren in Norddeutschland auf unterschiedlichen Wegen gegen die Kostenlawine im Energiemarkt: Viele zahlen einfach, wenige wechseln, manche klagen.

Der Aufsichtsrat der Stadtwerke, die zu drei Vierteln im Besitz der Stadt sind, hatte die Preiserhöhung am Montag genehmigt. Er könne mit seinem Parteibuch „nicht betriebswirtschaftlich fundierte Preise umdrehen“, sagte Aufsichtsratschef Walter Meinhold, der auch noch Vorsitzender der SPD in Hannover ist. Gleichzeitig lehnte Meinhold Sozialtarife als „zu bürokratisch“ ab.

In Hannover steht nun die vierte Preis-„Anpassung“ beim Gas seit Oktober 2004 an. Für eine vierköpfige Familie steigt der Gaspreis pro Monat um rund 25 Euro. „Das ist nicht so ein Bereich, wo man sagt: ‚Ein mal weniger Essen gehen reicht‘“, gab sogar Feist zu. Auch in Hannover bietet die Verbraucherzentrale Muster-Widerspruchsschreiben an.

Die Stadt an der Leine steht mit ihrer rabiaten Preispolitik nicht allein da: Die derzeitige Gas-Preisrunde belastet die Verbraucher durchschnittlich mit Aufschlägen von gut 20 Prozent. Die Uelzener Stadtwerke legten gleich 28,8 Prozent drauf, Eon Hanse verteuerte das Gas bislang „nur“ um 14,8 Prozent, dort sind Preissteigerungen aber noch zu erwarten.

Auch der Bremer Energieversorger Swb erhöht für seine Kunden zum 1. September den Gas- und Strompreis. Die Kilowattstunde Erdgas verteuert sich in Bremen um knapp 21 Prozent, in Bremerhaven um 19 Prozent. Im Jahr bedeutet dies für einen Durchschnitts-Haushalt in Bremen Mehrkosten von 315 Euro für Gas, auch Strom wird teurer. Das Unternehmen hat 140.000 Gas-Kunden. „Energie wird langfristig nicht mehr billiger werden“, sagt Swb-Vertriebsvorstand Torsten Köhne.

Immerhin haben Gasrebellen an der Weser der Swb schon einige juristische Niederlagen zugefügt. Begonnen hatte der Protest vor gut vier Jahren, als 50 Bremer eine Sammelklage gegen die in ihren Augen undurchsichtige Preispolitik der Swb einreichten. „Inzwischen haben sich 20.000 Bremer dem Widerspruch angeschlossen“, sagt Willi-Michael Grosser von der Bremer Gaspreis-Bürgerinitiative. Er rechnet mit einem „Betrag im hohen zweistelligen Bereich“, den die Protestler bislang nicht an Preisaufschlägen an ihre Stadtwerke gezahlt haben. Endgültig wird der Bundesgerichtshof Mitte kommenden Jahres entscheiden.

Bundesweit bietet bisher nur Eon einen Sozialrabatt: Wer von der Rundfunkgebührenpflicht befreit ist, muss nur seinen Verbrauch bezahlen, der so genannte Grundpreis entfällt. Für Kunden in Niedersachsen bedeute das eine Ersparnis von knapp 70 Euro im Jahr, rechnete Eon-Avacon vor. Das Unternehmen versorgt auch das Umland von Hannover. Allerdings ist der Rabatt auf 5.000 Kunden begrenzt. Das seit Jahresbeginn geltende Angebot wird derzeit von knapp tausend Abnehmern in Anspruch genommen.

Vattenfall denkt über einen ähnlichen Tarif nach, Eon Bayern bietet den Tarif bereits seit Anfang 2006 an. „Die Debatte über Sozialtarife muss geführt werden“, sagt Adelheit Wenzel, die für die Dienstleistungsgesellschaft Ver.di im Aufsichtsrat der Hannoverschen Stadtwerke sitzt.

Auch Horst Mücke aus Garbsen bei Hannover wurden die Preiserhöhungen seiner Stadtwerke zu dreist: „Wir haben eine eigene Genossenschaft mit jetzt 400 Mitgliedern gegründet“, sagt Mücke.

Die Genossen haben bereits Gas- und Stromverträge mit den Anbietern Nuon, Greenpeace und Trianel abgeschlossen – die Probleme mit der Durchleitung der Energie nach Garbsen sollen im Herbst behoben sein. Eile ist nämlich auch hier geboten: Der Rat der Stadt wird in Kürze über Preisaufschläge beim Gas beraten.