Einlauf für die Senatorin

Hamburgs CDU-Bildungssenatorin Dinges-Dierig regt Samstags-Unterricht an Gymnasien an und zieht damit den Zorn von Bürgermeister von Beust auf sich. In CDU-Kreisen wird über Dinges-Dierigs Entlassung gemunkelt – zwei Wochen vor der Wahl

VON KAIJA KUTTER

Die politische Zukunft von Hamburgs CDU-Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig hängt an einem seidenen Faden – seit dem gestrigen Donnerstag. Wenn in der Hansestadt die Gymnasiasten zu lange Schultage hätten, könne man doch „den Sonnabend in die Schulwoche einbeziehen“, schlug sie in der Welt vor. Das sei „eine gute Möglichkeit, den Unterricht zu entzerren“. Der wahlkämpfende CDU-Bürgermeister Ole von Beust geriet daraufhin bei der Frühstückslektüre in Rage. Der Vorschlag sei Dinges-Dierigs Privatmeinung und mit ihm nicht abgesprochen. „Die Entscheidungskompetenz in dieser Sache habe ich“, polterte er am frühen Donnerstagmorgen im Gespräch mit der Hamburger Lokalwelle des NDR. Und das, noch ehe er mit seiner Schulsenatorin selbst sprach, so wird es kolportiert.

Erst vor ein paar Monaten hatte von Beust Dinges-Dierig stoppen müssen, als sie Coca-Cola-Reklame an Schulen erlauben wollte. Auch beim Stress am Gymnasium hat er das Zepter erst in die Hand genommen, nachdem TV-Moderator Reinhold Beckmann – selbst Vater zweier schulpflichtiger Kinder – die Zustände in seiner Talkshow angeprangert hatte. Er, von Beust, persönlich werde sich an die Kultusministerkonferenz (KMK) wenden und darauf drängen, dass die Pflichtstundenzahl aller Jahrgänge bis zum Abitur gesenkt werde, erklärte er dann am Montag vor Journalisten.

Seither wird darüber diskutiert, ob nicht noch viel mehr geschehen muss, um die Schüler zu entlasten. Christa Goetsch, Spitzenkandidatin und Bildungspolitikerin der Hamburger Grün-Alternativen Liste (GAL) fordert einen „Kisengipfel für die Gymnasien“ mit Elternkammer und Behörde, um schnell Erleichterungen für die Schüler zu schaffen. Auch in Niedersachsen wird das Thema seit dem Beckmann-Auftritt heiß diskutiert: Dort sollen laut CDU-Ministerpräsident Christan Wulff „Projekte“ für einen menschlicheren Schulalltag sorgen. Die allerdings gibt es nach Ansicht vieler Praktiker längst – und eine Lösung seien sie nicht. Das traditionell eher senatsfreundliche Hamburger Abendblatt propagiert derweil „Atemübungen“, um 14-jährigen Schülern mehr Konzentrationsfähigkeit verschaffen. Alexander Luckow, Dinges-Dierigs Sprecher, kündigte vor einer Woche gegenüber der taz an, dass alle Schulen noch im Februar entschlackte Lehrpläne bekämen. Die allerdings befinden sich nach Aussage von Behördenmitarbeitern aber noch im Entwurfsstadium.

So kam denn Dinges-Dierig auf den Samstags-Dreh. Den selben Vorschlag hatte sie freilich bereits im Sommer 2006 gemacht und als Option per Gesetz verankert. Umgesetzt hat ihn bislang keine einzige Schule.

Zu Recht, wie auch der Bürgermeister findet: In einem weiteren Radio-Interview betrieb von Beust gestern regelrechtes Dinges-Dierig-Bashing: „Ich halte davon überhaupt nichts“, sagte er über den angeregten Samstagsunterricht. „Wir sollten bei der Lösung des Problems nicht an die Freizeit der Familien rangehen.“ Woraufhin der Co-Moderator fragte: „Wenn ich im Radio etwas erzähle, was nicht gut ist, kriege ich danach vom Chef einen Einlauf. Wie läuft das bei Ihnen?“ – Antwort: „Wenn, gibt es den telefonisch.“

Die Bildungsbehörde hatte gestern zum Thema übrigens „nichts zu sagen“. Aus CDU-Kreisen war zu hören, Dinges-Dierigs Tage im Amt seien gezählt. SPD-Bürgermeisterkandidat Michael Naumann forderte von Beust auf, seine Senatorin zu entlassen, weil sie „keinen Tag länger am Hamburger Bildungswesen herumdoktern darf“. Und GAL-Spitzenkandidatin Goetsch erklärte, dass Problem heiße Dinges-Dierig: Der Bürgermeister habe „das Wohl und Wehe der Hamburger Schüler in schlechte Hände gelegt und darin liegen lassen.“