Einführung: Amtseid mit Quetschkommode

David McAllister beerbt Christian Wulff, und die Wurtfriesen aus seiner Heimat Wursten sind dabei. In der Regierungserklärung wirbt er für Niedersachsen als Einwanderungsland, den Sparkurs will er fortsetzen.

Lauterer Frohsinn herrschte beim Amtsantritt des neuen niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister (CDU, rechts). Daneben lacht Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP). Bild: dpa

Der neue Ministerpräsident konnte es am Donnerstagvormittag kaum erwarten. Kaum gewählt, schnappte sich David McAllister seinen Aktenstapel und wechselte vom Platz des Chefs der Regierungsfraktion auf den Sessel des Ministerpräsidenten - nur um vom Präsidium darauf hingewiesen zu werden, dass er bis nach der Vereidigung am Nachmittag warten müsse. McAllister war mit 80 Stimmen gewählt worden, zwei weniger als seiner CDU-FDP-Koalition zu Gebote stehen. Das ist etwas schlechter als bei seinem Vorgänger Christian Wulff, der bei seiner ersten Wahl vor sieben Jahren mit einer Stimme weniger auskommen musste und bei seiner Wiederwahl rechnerisch alle Stimmen aus dem eigenen Lager auf sich vereinte.

Beim anschließenden Empfang zeigte sich, was das "In der Heimat verwurzelt sein" bedeutet, das McAllister so gerne zugeschrieben wird: Es bliesen die Damen und Herren des Jagdhornchores "von der Wurster Marsch" - das ist das Land hinterm Nordseedeich bei Cuxhaven, McAllisters Heimat. Dann spielte der Mentor des Ministerpräsidenten, der ehemalige Cuxhavener Landrat Martin Döscher auf der Quetschkommode das Niedersachsenlied: "… sturmfest und erdverwachsen …". McAllister sang den Refrain wie alle mit. Später spielte Döscher noch den Weltkriegsschlager Lilly Marlen - da sang er nicht mehr mit.

Döscher sagt: "Es werden auch schwere Tage kommen" - aber dann habe McAllister ja seine Freunde aus dem Elbe-Weser-Dreieck, auf die könne er immer zurückgreifen. Einen Regiestuhl haben sie ihm zum Amtsantritt geschenkt. Von der SPD bekam er einen Boxsack mit auswechselbarem Zielfoto, wohl eingedenk seiner bisherigen Rolle als parlamentarische Speerspitze der Landesregierung.

McAllister habe sich ja sehr bemüht, staatsmännisch aufzutreten bei seiner Regierungserklärung, sagte der neue SPD-Fraktionschef Stefan Schostek. Die Opposition habe aber die scharfen Angriffe McAllisters nicht vergessen. "Wir fragen uns, ob Sie sich wirklich umstellen können", sagte Schostek, der nach fünf Jahren Wolfgang Jüttner abgelöst hat.

McAllister begann seine Rede mit einem Lob seines Vorgängers: Wulff habe das Land auf den wichtigsten Politikfeldern modernisiert. Bei der Arbeitslosigkeit sei es vom neuntbesten auf den fünf- oder sechstbesten Platz vorgerückt. Das Land beschäftige 86.000 Lehrer - so viele wie nie zuvor - und habe 1.000 Polizisten eingestellt. Außerdem habe Wulff den Einfluss Niedersachsens bei VW und damit Niedersachsen als Autoland gerettet.

Inhaltlich bekannte sich der neue Regierungschef zu Niedersachsen als Einwanderungsland. "Dieses Land soll Heimat sein für alle, die hier geboren worden sind, und all jene, die im Laufe ihres Lebens zu uns gekommen sind, um hier rechtmäßig dauerhaft zu leben und zu arbeiten", sagte er.

Als Ministerpräsident möchte McAllister Themen wie "wohnortnahe Schulstrukturen" oder "zu wenige Studierende aus bildungsfernen Schichten" voranbringen. Allerdings hält er an den Wulffschen Plänen fest, im September einen Sparhaushalt vorzulegen.

Die Opposition kritisierte das Festhalten McAllisters am dreigliedrigen Schulsystem. "Es geht um mehr als um individuelle Bildungschancen", sagte SPD-Fraktionschef Schostock. "Es geht auch um die Zukunftsfähigkeit des Landes." Drei jüngere Studien belegten, dass Niedersachsen ins Hintertreffen geraten sei. McAllister hatte darauf hingewiesen, dass die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss in den CDU-Jahren von 10,5 auf 6,2 Prozent gesunken sei.

Schostok forderte, die in naher Zukunft sinkenden Schülerzahlen zu nutzen, um die Betreuungsdichte zu verbessern. McAllister wies dagegen darauf hin, dass der Rechnungshof gefordert habe, 26.000 Stellen zu streichen. Ganz so viele würden es allerdings wohl nicht werden.

Dem Fraktionschef der Grünen, Stefan Wenzel, war McAllisters Versprechen zu dünn, mit den geplanten und existierenden Atommülllagerstätten Gorleben, Asse und Schacht Konrad in transparenter Weise unter Beteiligung der Bürger zu verfahren. "Das ist eine zentrale Frage für Niedersachsen, ob man diese gesellschaftlichen Großkonflikte weiter vorantreiben will", sagte Wenzel der taz.

Es sei unsäglich, dass McAllister den FDP-Umweltminister Hans-Heinrich Sander behalten habe, kritisiert Wenzel. Er und Schostok warfen McAllister vor, zu sehr im Fahrwasser Wulffs zu segeln. Der habe "ein Sparprogramm bis auf die Knochen" durchgezogen.

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