Eine missliche Lage

JUSTIZ Ein Vorfall, zwei Verfahren. In einem Nachbarstreit steht der Vorwurf der Volksverhetzung im Raum

Der Richter plädierte auf Frieden zwischen den Nachbarn

Das Verfahren gegen Arthur W., der den Hausmeister Andreas H. in einem Mietshaus in Hamburg-Wilhelmsburg als „Nazischwein“ beschimpft und ihm einen Mülleimer an den Kopf geworfen haben soll, ist am Dienstag vor dem Harburger Amtsgericht eingestellt worden. Der Richter berief sich auf fehlende Zeugen und plädierte für Frieden zwischen den Nachbarn.

Was sich aber am Nachmittag des 29. April im Hausflur der beiden abgespielt haben soll, war mehr als ein Streit um Müllentsorgung und Hausordnung. Denn gegen den Hausmeister steht der Vorwurf der Volksverhetzung im Raum.

Konkret wirft Arthur W., dessen Familie der Gruppe der Sinti gehört, Hausmeister Andreas H. vor, gesagt zu haben: „Ich bringe dich in die Gaskammer nach Dachau.“ Das Auschwitz-Komitee und der Landesverband der Sinti haben H. daraufhin wegen Volksverhetzung angezeigt.

Während die Anklage gegen den Sinto Arthur W. wegen Beleidigung und leichter Körperverletzung bereits gestern abgeschlossen wurde, hinke die Staatsanwaltschaft bei der Anzeige gegen den Hausmeister hinterher, moniert Sigrid Töpfer, die Rechtsanwältin von Arthur W. „In beiden Fällen muss gleichzeitig ermittelt werden“, sagte Töpfer. Andernfalls werde „die Wahrheitsfindung vernebelt“, und die politische Dimension des Streits gerate aus dem Blick.

Bernd Mauruschat, Pressesprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, wehrt sich gegen den Vorwurf, man habe den Fall bewusst verschleppt. Die Akte der Strafanzeige gegen Hausmeister Andreas H. sei zunächst zur Polizei zurückgeschickt worden, weil ein Strafantrag Arthur W.s fehlte. Diesen brauche man aber bei einem Streit „im sozialen Nahbereich“.

Hinzu komme, dass eine Anzeige wegen Volksverhetzung in einer anderen Abteilung der Staatsanwaltschaft lande als eine wegen Beleidigung. Dass dies die Vernetzung erschwere, sei „eine missliche Lage“, räumte Mauruschat ein.

EMILIA SMECHOWSKI