KOMMENTAR: CHRISTIAN RATH ÜBER DAS URTEIL ZUM KIELER LANDTAG
: Keine künstliche Verzögerung

Jetzt ist der worst case eingetreten: Der Wahlverlierer wurde zum Wahlsieger erklärt

Das Verfassungsgericht von Schleswig-Holstein hat ein merkwürdiges Demokratieverständnis. Da stellen die Richter fest, dass der Kieler Landtag verfassungswidrig zusammengesetzt ist – und lassen ihn trotzdem zwei Jahre weiterarbeiten.

Gerade so, als sei es völlig egal, wer in einem Bundesland regiert. Schlimm genug, dass der Landtag ein Jahr lang mit der falschen Mehrheit Beschlüsse fassen konnte, doch nun soll der Landtag mit dieser falschen Mehrheit auch noch 25 Monate weiter beschließen können.

Die Landesverfassung schreibt vor, dass Überhangmandate das Wahlergebnis nicht verzerren dürfen. Das ist eine zentrale Vorschrift, sie stellt sicher, dass der Wählerwille nicht verzerrt wird. Jetzt ist genau dieser worst case der Demokratie eingetreten: der Wahlverlierer wurde zum Wahlsieger erklärt.

Doch die Richter wollen nicht einschreiten, weil der Landtag zugleich auch zu viele Sitze hat, alles sei miteinander verwoben und müsse im Paket gelöst werden, heißt es. Doch das kann nicht richtig sein. Die Feststellung der korrekten Mehrheit nach einer Wahl darf nicht dadurch künstlich verzögert werden, dass vom Landtag erst einmal ein perfektes Wahlgesetz gefordert wird. Die Bürger sollten diesem Landtag das Vertrauen entziehen, dann wird es schneller gehen mit den Neuwahlen.

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