Opfernummer zieht nicht

URTEIL Das Amtsgericht verurteilt die Rechtsextremen, die den dunkelhäutigen Carl S. vor einem Jahr in Hamburg-Bramfeld angriffen. Damit ist ihr Versuch gescheitert, sich auf Notwehr zu berufen

S. erlitt Rippenbrüche, Prellungen, einen Tinnitus, Hals- und Augenverletzungen

Die Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek gefiel den Rechtsextremen nicht – missmutig hörten Michael A. und Marco N. der Urteilsbegründung zu, nachdem der Richter die beiden wegen eines Angriffs auf den dunkelhäutigen Carl S. zu einer Geld- und einer Bewährungsstrafe verurteilt hatte.

Die beiden hätten „kein Recht auf Notwehr“ gehabt, sagte der Richter. Seit dem Verhandlungsbeginn am 15. September hatten die Verteidiger von Michael A., 44 Jahre, und Marco N., 34 Jahre, versucht, das Verhalten von Carl S. als Angriff auf ihre Mandanten deuten. „Die Rollenverteilung ist nicht ganz richtig, na ja formal gesehen ist er das Opfer“, hatte Ns. Verteidiger zu S. gesagt.

Im Saal löste diese Verteidigung Kopfschütteln aus, und auch der Richter ließ bei der Urteilsbegründung keine Zweifel, wer am 22. August 2009 in der Bramfelder Chaussee Täter und wer Opfer war. An jenem Tag war S. mit seiner Frau und seinem Kind auf dem Weg zu einer Bäckerei. Auf der anderen Straßenseite hatte Die Linke einen Infostand zur Bundestagswahl aufgebaut, Rechtsextreme verteilten Flugschriften.

„Da muss man mit Widerspruch rechnen“, sagte der Richter. Zwischen S. und N. brach ein Streit aus. A. kam dazu und spuckte S. ins Gesicht. Um nicht geschlagen zu werden, umklammerte S. den potenziellen Angreifer, worauf N. auf S. einschlug. Alle drei stolperten in die Bäckerei, wo ein dritter Mann aus der rechten Szene Pfefferspray auf S. sprühte – vor den Augen seiner Frau und seines Kindes. S. erlitt Rippenbrüche, Prellungen, einen Tinnitus, Hals- und Augenverletzungen.

„Wer bei einer politische Debatte wen anspuckt, dann aggressiv auf ihn zukommt, kann nicht später von aktiver Notwehr sprechen, das war eine aktive Provokation“, sagte der Richter.

Das Gericht verurteilte N. wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Monate auf Bewährung und A. wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 3.500 Euro. ANDREAS SPEIT