Ortstermin: Ralf Stegner lädt Wolfgang Kubicki zum Plaudern ein
: Boxhandschuh, Florett und Säbel

„Wenn noch mehr Gemeinsamkeiten kommen“, sagt Kubicki irgendwann, „laufe ich rot an“

Jemand sollte die Band zum Schweigen bringen: Es ist heiß und stickig und ohnehin schon viel zu laut für Musik. Das „Galileo“ nahe der Uni am Stadtrand von Kiel, ist überfüllt, und immer noch schieben sich weitere Gäste herein. Um dabei zu sein bei der Begegnung zweier Polit-Alphamännchen: Wolfgang Kubicki, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion trifft auf SPD-Landeschef und Oppositionsführer Ralf Stegner. Nicht im Kieler Landeshaus, sondern bei der Reihe „Stegner trifft …“.

Viele der eher jungen Anwesenden sehen aus, als würden sie die FDP wählen, outen sich auf Nachfrage aber als Stegner-Fans. Die meisten lockt wohl einfach die Show. Christoph Lütgert, ehemals NDR-Chefreporter, moderiert das Gespräch an wie einen Boxkampf. Über Stegner sagt er: „Ein Mann, der als Chefpolemiker seiner Partei gilt, Spitzname Roter Rambo.“ Über den Gast: „Brillanter Kopf, Kernsatz: ‚Ich weiß es wirklich besser.‘“

„Ich habe gern zugesagt, weil ich Herrn Stegner immer sage: Wenn er lernen will, bin ich bereit“, schnurrt Kubicki. Und Stegner giftlobt: „Einiges kann Herr Kubicki tatsächlich besser, zum Beispiel ist er ein Oppositionsmann durch und durch.“

Boxhandschuh, Florett oder Säbel: Die Waffenarsenale sind gut gefüllt. Nach dem ersten Schlagabtausch, bei dem Kubicki gleich noch einer schleswig-holsteinischen Tageszeitung einen Hieb versetzt („Lügen-Nachrichten“), geht es um Sachthemen.

Und, nicht immer ausgesprochen, um die Frage: Könntet ihr auch miteinander regieren? Als das in Kiel noch die Große Koalition tat, ließ Kubicki sich von der CDU zu einer Klausurtagung einladen – der inoffizielle Startschuss von Schwarz-Gelb. Jetzt, da wieder eine Wahl ansteht, sitzt er halt neben Stegner.

„Sozialliberal war eine gute Zeit“, sagt Stegner. „Aber dafür braucht man einen Partner, der Sozialliberal kann und will.“ Die FDP sei klug beraten, vom Kurs der vergangenen Jahre abzukommen. Kubicki gab zu, er könne sich „in Berlin eine andere Politik vorstellen“. Aber auch die Sozialdemokratie müsse sich entscheiden: „Für Hartz IV oder nicht? Für Krieg oder nicht?“

„Was haben Sie eigentlich gemeinsam?“, will Eckehard Raupachs wissen, ehemaliger SPD-Stadtrat, heute Kolumnist der Obdachlosen-Zeitschrift Hempels. Da fällt beiden einiges ein: Minderheiten- und Migrationspolitik, Ablehnung der Atomkraft, Erhalt von Frauenhäusern. „Wenn noch mehr Gemeinsamkeiten kommen“, sagt Kubicki irgendwann, „laufe ich rot an.“

Damit es nicht zu gemütlich wird, konzentrierten sich die beiden Diskutanten den Rest des Abends auf die Unterschiede – und auf die Wahlchancen: „Wenn Sie mehr als die 15 Prozent vom letzten Mal holen, trete ich in die FDP ein“, sagt Stegner – in Umfragen liegt sie bei fünf Prozent. „Wenn Sie eintreten“, kontert Kubicki, „verschlechtern wir uns gleich wieder.“

Kein K.O., der Punktestand ausgeglichen: „Vergnüglicher Gesprächsabend“, wird Stegner am Morgen twittern. Die nächste Runde dann wieder im Parlament. ESTHER GEISSLINGER