Wie das Verschweigen rechter Übergriffe sinnvoll sein kann
: Die Situation entschärft

„Kill Vietzen Kill“, hatten Unbekannte an das Bahnhofsgebäude im schleswig-holsteinischen Wrist (Kreis Steinburg) geschrieben. Der da gemeint war, lebt vier Kilometer entfernt in Kellinghusen: Walter Vietzen, Lehrer an der örtlichen Gemeinschaftsschule.

Es blieb nicht bei bedrohlichen Schmierereien: Nachts warfen Unbekannte Gegenstände gegen sein Wohnhaus, grölten „Sieg Heil!“, sein Gartenzaun wurde beschädigt, Vietzen erhielt Drohanrufe. „Ich dachte damals, wenn das so weitergeht, ist das kein Leben mehr“, sagt er heute.

Mehr als ein Jahr lang bedrohte eine Gruppe von etwa 15 Personen den Lehrer. Die Vorfälle, die inzwischen gut zwei Jahre zurückliegen, wurden in Rücksprache mit der Polizei und dem Kriminalpräventiven Rat der Stadt nicht öffentlich gemacht. Ebenso schwiegen öffentliche Stellen, als am 8. Mai vergangenen Jahres die Polizeistation mit Molotow-Cocktails attackiert wurde. „Das war knapp“, sagt Henning Wendt, Polizeihauptkommissar in Kellinghusen. Dass Vietzen damals befürchtete, auch gegen sein Haus könnten Brandsätze geschleudert werden, kann Wendt verstehen. Öffentlichkeit oder Presse informierte der Polizeichef trotzdem nicht. Man habe „die Situation nicht weiter verschärfen“ wollen, erklärt er.

Eine richtige Entscheidung? „Eigentlich halte ich nichts davon“, sagt Vietzen. Viel zu oft werde Rechtsextremismus durch Verschweigen verharmlost. Aber: „Ich sah, dass hier nachhaltig ermittelt wurde.“ Vietzen bestärkte zudem, dass der Polizeichef allen Gerüchten widersprach, es handele sich bei den Aggressoren bloß um Schüler, die sich an einem missliebigen Lehrer rächen wollten. „Der rechtsextreme Bezug war von Anbeginn gegeben“, sagt Wendt.

Andreas Speit sitzt mit auf dem Podium, wenn sich heute Abend der taz Salon dem Thema „Rechtsextremismus in den Medien“ widmet: 19.30 Uhr, Kulturhaus 73, Schulterblatt 73, HamburgHinweis: ANDREAS SPEIT arbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland