SPD-Strategie geht auf: Olaf und die Wirtschaft

Die Wirtschaftspolitik ist ein Lehrstück dafür, wie Politprofi Olaf Scholz seinen Aufstieg und den der SPD in Szene setzt. Zur Belohnung wird er Bürgermeister.

Strategie aufgegangen: HamburgerInnen nehmen Scholz als wirtschaftskompetenten Politiker wahr. Bild: Montage: dpa

HAMBURG taz | Am kommenden Sonnabend wird Wegweisendes beschlossen. Dann will die Hamburger SPD eines ihrer größten politischen Defizite aufarbeiten. Der Neubestimmung einer sozialdemokratischen Hafen- und Wirtschaftspolitik ist der Themenparteitag "Zukunft Hafen Hamburg" am 26. Februar gewidmet, auf dem mit Hilfe unabhängiger Experten …

So war es gedacht, so wird es jedoch nicht kommen. Denn der Bruch der schwarz-grünen Koalition im November und die Neuwahl der Hamburgischen Bürgerschaft am morgigen Sonntag haben den Vorsitzenden und Bürgermeisterkandidaten der SPD, Olaf Scholz, eine Abkürzung nehmen lassen. Deshalb hat er das gewünschte Resultat bereits flugs selbst formuliert: "Hafen ist Hamburg."

So steht es im Wahlprogramm, das bei der SPD des Olaf Scholz "Regierungsprogramm" heißt und Mitte Januar vom Landesparteitag ohne Diskussion beschlossen wurde. Änderungen waren nicht vorgesehen gewesen, denn die gedruckte Fassung lag bereits vor. So etwas nennt man auch Führungsstärke.

Die Wirtschaftspolitik der Hamburger SPD ist ein Lehrstück dafür, wie der strategisch und strikt ergebnisorientiert denkende Politprofi Olaf Scholz seinen Aufstieg und den seiner Partei in Szene gesetzt hat.

Mit Erfolg: Denn erstens kann es kaum noch einen Zweifel daran geben, dass der Wahlsieger am Sonntag Olaf Scholz heißen wird, und zweitens belegen Umfragen, dass die WählerInnen auch im konservativen Kernthema Wirtschaftspolitik der SPD aktuell eine höhere Kompetenz zumessen als der CDU.

Nach seiner Wahl zum SPD-Landeschef im November 2009 hat Scholz zunächst seine - nach Stimmzettelaffäre und Desaster bei der Bundestagswahl - zerstrittene Partei befriedet.

Parallel dazu verkündete er sein - anfangs durchaus belächeltes - Mantra, der schwarz-grüne Senat sei "die wirtschaftsfeindlichste Regierung", die Hamburg je gehabt habe. Damit verfolgte er zwei Ziele: Die Entfremdung der Wirtschaft zur CDU und die Verschleierung sozialdemokratischer Schwachpunkte.

Denn jahrelang hatte Hamburgs SPD in der Opposition keinerlei ernsthafte Wirtschaftspolitik betrieben. Die beiden dafür zuständigen Abgeordneten in der Bürgerschaft, Ingo Egloff und Karl Schwinke, meldeten sich nur gelegentlich zu Wort, um dem Senat vorzuwerfen, die Vertiefung der Elbe zu verschlampen oder die Container im Hafen zu niedrig zu stapeln.

Mittelstand, IT, Kreativwirtschaft, Life Sciences, Erneuerbare Energien - allesamt Begriffe, die Hamburgs SPD-Wirtschaftspolitiker kaum zu buchstabieren wussten.

Zur Strategie, die Scholz Anfang vorigen Jahres deshalb entwarf, gehörten mehrere Themenparteitage, einer auch am nächsten Sonnabend zu Hafen und Wirtschaft. Der fällt nun der vorgezogenen Neuwahl zum Opfer. Die aber beschleunigt nur den erst zum regulären Wahltermin in einem Jahr geplanten Schulterschluss zwischen Genossen und Bossen.

Im November und Dezember 2010 hatten Scholz und Handelskammer-Präses Frank Horch sich in mehreren vertraulichen Gesprächen inhaltlich und persönlich angenähert. In seiner traditionellen Silvesteransprache im Großen Börsensaal der Handelskammer lobte Horch vor 2.000 geladenen Gästen aus Wirtschaft und Politik Scholz ausdrücklich für seine Tätigkeit als Bundesarbeitsminister in Berlin.

Nicht zufällig hatte Scholz sich zwei Wochen zuvor, am 17. Dezember, im selben Saal zum Bürgermeisterkandidaten der SPD küren lassen - es war das erste Mal, dass ein Parteitag Hamburger Sozialdemokraten in der Handelskammer stattfand, die SPD-Basis durfte schon mal die Atmosphäre dort schnuppern.

Rathaus und Handelskammer bilden einen Gebäudekomplex um einen gemeinsamen Innenhof - was Vorderhaus und was Hinterhaus ist, ist durchaus umstritten in der Hansestadt. Die Handelskammer allerdings ist dort schon seit 1841, das Rathaus wurde erst 1897 angebaut.

Nach weiteren zwei Wochen, am 13. Januar, stellte Scholz seinen Schatten-Wirtschaftssenator vor - Frank Horch: "Er ist die optimale Besetzung." Und der durfte sogleich als Statist mit auf dem Podium sitzen, als am 2. Februar Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder seinem ehemaligen Generalsekretär Scholz - "meinem Freund Olaf" - in einem Luxus-Hotel vor 140 handverlesenen Führungskräften aus Hamburger Unternehmen Wahlkampfhilfe gewährte.

Und als ob das alles noch nicht genug wäre, präsentierte Scholz auch noch Erck Rickmers als Kandidaten für die Bürgerschaft: Der Geschäftsführer der 176 Jahre alten Hamburger Reederei Rickmers zählt zur ersten Garde der hanseatischen Wirtschaftsbosse - und ist nun Genosse.

Die Begründung, die Rickmers dafür in der Welt lieferte, ist eine Demütigung für die CDU: "Die SPD ist in jeder Hinsicht dazu in der Lage, die Stadt zu führen und positiv zu gestalten. Sie steht für ein grundsolides Programm." Zudem müsse in Hamburg wieder "handwerklich gute Politik gemacht werden".

Die CDU war bei beiden Personalien verstimmt. Parteichef Frank Schira nannte sie "sehr befremdlich", Bürgermeister Christoph Ahlhaus wies darauf hin, dass er Horch auch als Wirtschaftssenator haben wollte. Damit sei er aber am Widerstand der GAL gescheitert. Die Antwort von Scholz fiel kurz und kühl aus. Er sei es gewohnt, "durchzusetzen, was ich als richtig erkannt habe".

Solche Worte kommen an in Chefetagen. Auch bei den WählerInnen. Und auch in der eigenen Partei. Denn bislang hat Olaf Scholz keine Fehler gemacht. Und die Rechnung nicht ohne die Wirtschaft.

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