Der Makel des Preisauslobers

FESTAKT Die „Nordwest-Zeitung“ verleiht einen Ausbildungs-Preis – beschäftigt die eigenen Volontäre aber über eine Leiharbeitsfirma

Das war wohl ein fröhliches Fest am späten Donnerstagabend: Die Oldenburger Nordwest-Zeitung kann sich dafür feiern lassen, dass sie den beständig drohenden Fachkräftemangel nicht nur thematisiert, sondern ihm offensiv entgegen wirkt. Das Blatt hat bei einem Festakt den „Preis für innovative Ausbildung“ – zärtlich PIA genannt, verliehen. Bedacht wurden Unternehmen der Region, mit dem Preis will die NWZ „die Anstrengungen zur qualitativ herausragenden Berufsausbildung in der Region würdigen“.

Beworben haben sich Banken, Versicherungen, ein Krankenhaus, ein Autozulieferer und die Papierfabrik im friesischen Varel, 18 Unternehmen, der NWZ als Anzeigenkunden zumeist treu verbunden. Wer den Preis gewinnt? Die Jury wusste es schon, sie hatte nach einem NWZ-Bericht „die Qual der Wahl“ und konnte feststellen, „das zahlreiche Unternehmen neue interessante Wege bei der Ausbildung beschreiten“.

Das ist schön und für die Region, für deren Belange sich die NWZ ja ohnehin stets einsetzt, eine gute Nachricht. Bald klingt es so, als werde allein dort oben im Nordwesten, dem Verbreitungsgebiet der Zeitung, der Fachkräftemangel aufgehalten. Und selbst dem einzigen Wermutstropfen schlägt die Nordwest-Zeitung mit Hilfe von PIA ein Schnippchen: Sie selbst käme für den Preis wahrscheinlich nie in Frage, darf sich aber als Ausloberin trotzdem vom milden PIA-Licht erleuchten lassen.

Ihre Volontäre – also die journalistischen Nachwuchskräfte – hat die Nordwest-Zeitung nämlich schon seit Jahren in einer hauseigenen Leiharbeitsfirma angestellt. Ein Lohnsparmodell, das man sicherlich innovativ nennen kann, nur kommt die Innovation den Auszubildenden nicht zugute. Sie verdienen in der Nordwest-Personaldienstleistungsgesellschaft weniger, als wenn sie direkt im NWZ-Verlag angestellt wären. Der NWZ-Betriebsratsvorsitzende Ulrich Janßen, der zugleich der Ver.di-Journalistengewerkschaft Deutsche Journalisten-Union vorsteht, hatte das bereits 2009 so kommentiert: „Du gehst ins Berufsleben, und – peng – dir begegnen Unfairness und Ungerechtigkeit.“

Zwar hat der Verlag kürzlich angekündigt, die Auslagerung von Mitarbeitern – neben den circa 25 Volontären sind auch um die 50 Redakteure und Verlagsmitarbeiter Leiharbeiter – beenden zu wollen, doch darin sieht Janßen nur „ein Feigenblatt“. Die NWZ will nämlich in einer hauseigenen Vereinbarung mit dem Betriebsrat deutlich schlechtere Bedingungen für Berufsanfänger durchsetzen. Um das zu erreichen, hat der Verlag kürzlich die Tarifgemeinschaft verlassen.

Zuvor waren die Tarifverhandlungen zwischen Zeitungsverlegerverband und Gewerkschaften gescheitert, von denen sich die Verleger genau diese Kürzungen bei Berufsanfängern erhofft hatten. Hinzu kommt, dass ein Volontariat bei der NWZ neuerdings statt der üblichen zwei nunmehr drei Jahre dauert – ein Jahr billige Arbeitskräfte mehr sind dem Blatt also sicher.

Der Chef der Oldenburger Arbeitsagentur, Bernd Wozniak, saß in der PIA-Jury. Er wollte den offenkundigen Makel des Preisauslobers nicht kritisieren: Der Preis sei wichtig, weil er den Fachkräftemangel thematisiere. Was intern bei der NWZ laufe, spiele keine Rolle. FEZ