Weg von Atom und Kohle: Ein Fünftel der Äcker für Energie

Biomasse könnte 2020 einen großen Teil des schleswig-holsteinischen Bedarfs an Strom, Wärme und Sprit decken. Das Problem ist, den Maisanbau zu begrenzen.

Maisernte: drei Viertel fürs Vieh, ein Viertel für den Tank. Bild: dpa

HAMBURG taz | Aus Biomasse könnten in Schleswig-Holstein künftig weit mehr Strom, Wärme und Kraftstoffe erzeugt werden als bisher angenommen. Wie aus einer Studie hervorgeht, die Landwirtschaftsministerin Juliane Rumpf (CDU) kürzlich vorstellte, könnte der Anteil der Biomasse am Endenergieverbrauch von derzeit acht Prozent bis 2020 auf 20 Prozent steigen. Bisher wurden 14 Prozent vorausgesagt. Die Berechnung gehe davon aus, dass dafür nur wenig mehr Energiepflanzen angebaut werden müssten als heute, sagte Rumpf.

Schon heute ist die Biomasse neben der Windenergie der zweite Pfeiler der Energiewende in Schleswig-Holstein. Aus ihr wird zwar wesentlich weniger Strom gewonnen als aus dem Wind; dafür liefert sie aber auch Wärme und Treibstoff. Es habe sie "überrascht, dass der endenergetische Versorgungsbeitrag der Biomasse sogar deutlich höher als bei der Windenergie war", sagte Rumpf.

Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass in zehn Jahren 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche für den Anbau von Energiepflanzen wie Mais, Raps und Rüben genutzt werden. Das wären dann 29 Prozent der Ackerfläche gegenüber heute 24 Prozent. Diese "sehr moderate Ausweitung" (Rumpf) genüge, wenn die ertragreichsten Energiepflanzen züchterisch verbessert und wenn Reststoffe konsequent genutzt würden: Gülle, Stroh, Abfälle aus der Gartenpflege. Aus solchen Reststoffen würden der Studie zufolge 48 Prozent der Bioenergie gewonnen. 46 Prozent kämen aus speziell angebauten Energiepflanzen, der Rest in dem waldarmen Land aus Holz.

Die Ministerin vermutet, dass dieses Potenzial nur zu 70 Prozent ausgeschöpft werden wird, weil mit wirtschaftlichen, technisch-administrativen und politischen Problemen zu rechnen sei. Immer wieder wehren sich Anwohner gegen Biogasanlagen und gegen die ungeheure Zunahme des Maisanbaus, der durch die Nachfrage der Biogasanlagen zusätzlich angeheizt wird.

Mais als Energiepflanze spielt eine untergeordnete Rolle. Das Problem ist die Konzentration.

Bundesweit stand nach Angaben der Bundesregierung 2010 auf 4,5 Prozent der Ackerfläche Energiemais. Dreimal soviel Mais wurde als Futter zur Fleisch- und Milcherzeugung angebaut.

Für Biogas wurden auf 650.000 Hektar Energiepflanzen angebaut. Auf 530.000 Hektar davon stand Energiemais.

Konzentration: Biogasanlagen werden oft dort gebaut, wo intensiv Tiere gehalten werden. Dort steigt der Maisanteil bisweilen auf über 50 Prozent der Ackerfläche.

Ina Walenda, Landesgeschäftsführerin des Umweltverbandes BUND, sieht hier das Hauptproblem. "Wir wissen, dass wir mehr Bioabfälle verwerten können", sagt sie. Es sei für die Bauern aber ökonomisch am attraktivsten, Mais anzubauen. Um das zu ändern, müssten sich alle Bundesländer darauf einigen, die Regeln für die Landwirtschaft zu ändern, etwa indem sie den Bauern eine dreigliedrige Fruchtfolge vorschreiben. Damit ließen sich die Monokulturen vermeiden, die den Menschen in vielen Landstrichen Schleswig-Holsteins aber auch Niedersachsens die Aussicht vermiesen, die den Böden schaden und die Artenvielfalt gefährden.

Um dem Maisanbau - Futter- wie Energiemais - eine gesetzliche Grenze setzen zu können, müsste die Ministerin Rumpf allerdings viel kreativer agieren, findet Walenda. Eine Studie erstellen zu lassen, reiche nicht. "Was hindert sie daran, kurz vor der Landtagswahl die anderen Länderminister einzuladen und eine Veranstaltung zum Thema Maisanbau zu machen?", fragt Walenda.

Sie würden Dörfer sehen, die zu mehr als der Hälfte mit Mais zugewachsen sind, sagt Walenda. "Wir in der Geschäftsstelle haben unheimlich viele Anfragen, ob das alles erlaubt ist", sagt die BUND-Landesgeschäftsführerin.

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