Bessere Studienbedingungen: Hamburg reformiert Bologna

Hamburgs Universität will strenge Prüfungsfristen für Module abschaffen und überhaupt mehr Freiheit für die Lernenden. Workshops erarbeiteten insgesamt 100 Verbesserungsvorschläge.

Sollen es einmal besser haben: Wenn es nach dem Präsidenten geht, bringt Hamburgs Uni wieder mehr "souveräne Persönlichkeiten" hervor. Bild: Foto: dpa

HAMBURG taz | Das Bachelor-Master-Studium gilt als verschult, junge Studierende beklagen seit Jahren Prüfungsstress. Die Universität Hamburg macht sich jetzt an eine Reform der Bologna-Reform. Auf einem „Dies Academicus“ wurden unter dem Motto „Bologna 2.0 – Wie wollen wir studieren?“ rund 100 Verbesserungen beschlossen. Unter anderem sollen die Zahl der Prüfungen gesenkt und strenge „Modulfristen“ an allen Fakultäten abgeschafft werden.

Die Bologna-Reform an und für sich, die das Studium in eine sechssemestrige Bachelor und viersemestrige Master-Phase zerteilt, wurde der Universität vor vor sieben Jahren vom damaligen CDU-Senat auferlegt.

Bei der Umsetzung im Detail gibt es aber vieles, über das die Hochschule selbst entscheiden kann: etwa die Verpflichtung, ein Modul mit jeweils mehreren Lehrveranstaltungen binnen einer bestimmten Frist zu absolvieren – schlimmstenfalls droht die Exmatrikulation. Auch die Zahl der Prüfungen pro Studienfach sei teilweise von den Studiengängen selbst festgelegt, sagt Uni-Präsident Dieter Lenzen: „Bologna schreibt all dies nicht vor.“

Die Universität Hamburg ist mit über 40.000 Studierenden die größte Hochschule in Hamburg.

Sie besteht aus sechs Fakultäten: Rechtswissenschaft; Wirtschafts- und Sozialwissenschaften; Medizin; Erziehungswissenschaften, Psychologie und Bewegungswissenschaften; Geisteswissenschaften; Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften.

Bachelor-Studiengänge sind durch Module mehrerer Lehrveranstaltungen strukturiert. Für sie gibt es strikte Zeitfristen.

Der "Dies Academicus" fordert eine Reduzierung der benoteten Prüfungen. Es soll andere Formen der Leistungsrückmeldung und eine Schulung für Prüfer geben.

Die strenge Anwesenheitspflicht soll nun auf wesentliche Lehrveranstaltungen begrenzt werden.

Auch allgemein Berufsqualifizierende Kurse sind Pflicht. Sie sollen überarbeitet werden.

Ein Studienfach, das 60 Prüfungen vorsehe, könne problemlos die Hälfte davon streichen, sagt Lenzen. Er habe andernorts sogar einen Studiengang Betriebswirtschaft mit 90 Prüfungen ausgemacht – das sei „kontraproduktiv“. 20 Prüfungen seien etwa eine gute Zahl, das wären drei bis vier pro Semester. Sie müssten zudem verschiedene Formen haben: „Die jungen Leute“, sagt Lenzen, „müssen neben Klausuren auch Hausarbeiten schreiben können.“

Der vor zwei Jahren von der Freien Universität Berlin nach Hamburg gewechselte Uni-Chef wünscht sich ein Studium, das auch die Herausbildung von „souveränen Persönlichkeiten“ ermöglicht. Es solle mehr frei wählbare Lehrveranstaltungen geben und statt strenger Module „individuelle Profile“.

Die in acht Workshops erarbeiteten Ideen sollen jetzt verschriftlicht und von „Botschaftern“ an die Fakultäten überbracht werden, berichtet Lenzen. „Ich möchte, dass es eine durchgreifende Reform gibt, an die sich alle halten.“ Vorrseiter bei der Frage der Modulfristen sei ausgerechnet die Fakultät Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften gewesen: „Die haben die einfach gestrichen.“

Nicht so ohne weiteres verlängern lässt sich die Regelstudienzeit beim Bachelor. Aber das sieht Lenzen gelassen: „Nach sechs Semestern ist noch keiner geflogen.“ Komplizierter ist es auch, die Zahl der Prüfungen zu reduzieren: Teilweise hätten auch Professoren im „Bologna-Rausch“ auf Inhalte bestanden, sagt Lenzen – aus Angst, ihre Fächer seien sonst nicht wichtig genug.

Der Uni-Chef rechnet damit, dass die Überarbeitung der Prüfungsordnungen ein Jahr dauert. Bei der Anerkennung eines Studiengangs spielen seit Bologna auch externe Akkreditierungsagenturen eine Rolle. Von denen wolle man sich weniger abhängig machen.

Grundsätzlich fordert die Uni den freien Übergang zum Masterstudium für jeden Bachelor-Absolventen. Dies ist in einem „Zukunftspakt“ mit Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) auch in Aussicht gestellt. Hier fehlt eine Umsetzung, etwa indem eine Immatrikulation auch für den Master gilt.

Die Ideen habe er auch im norddeutschen Hochschulverbund diskutiert, sagt Lenzen. Die Resonanz sei positiv. „Wir haben zehn Jahre lang die Bologna-Reform brav umgesetzt. Jetzt müssen wir den Switch zustande bringen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.