Späte Genugtuung

URTEIL Die Auflösung einer Bauwagen-Demo vor acht Jahren in Hamburg war rechtswidrig

Die gewaltsame Auflösung der Bauwagen-Demonstration „Einmal im Leben pünktlich sein“ durch die Polizei vor acht Jahren war rechtswidrig. Das hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht in zweiter Instanz entschieden. Die Polizei habe den grundgesetzlichen Schutz der Versammlung missachtet und Ermessensspielräume nicht ausgeschöpft.

Frühmorgens hatten sich am 24. April 2004 insgesamt 105 Bauwagen-Inhaber und Sympathisanten vor den ehemals besetzten Häusern an der Hamburger Hafenstraße unangemeldet versammelt, um gegen die Bauwagen-Politik des damaligen CDU-Senats zu protestieren. Polizeiführer Thomas Mülder setzte den Versammelten, die von den Anwälten Manfred Getzmann und Andreas Beuth vertreten wurden, ein Ultimatum: Bis 9 Uhr werde die Versammlung geduldet, bis dahin sei aber auch ein Versammlungsleiter zu benennen.

Um 8.47 Uhr meldete sich der Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch (Regenbogen-Fraktion) nachträglich als Anmelder und Versammlungsleiter. Gleichzeitig aber wurde die Demonstration über Polizei-Lautsprecherwagen für aufgelöst erklärt. Das aber, sagte nun der Vorsitzende Richter Joachim Pradel, sei „zu früh“ geschehen.

Der bloße Umstand, dass die Demonstration nicht spontan war und auch nicht angemeldet, rechtfertige eben keine Auflösung, so Pradel: „Die Rechtslage ist eindeutig – die Versammlung stand unter dem Schutz des Grundgesetzes.“ Zudem habe es keinen Grund für die Auflösung gegeben: Von dem Protest sei keine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgegangen.

Aus Sicht des Richters hat die Polizeiführung es versäumt, von ihrem Ermessensspielraum Gebrauch zu machen. Wäre mit dem Versammlungsleiter vernünftig verhandelt worden, wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt, zum Beispiel über eine zeitliche Begrenzung oder die Räumung einer Fahrspur, hätte alles weitere unterbleiben können. „Die möglichen Varianten sind alle nicht ausgeschöpft worden“, kritisiert Pradel.

Die Entscheidung eröffnet den Besitzern der Fahrzeuge die Möglichkeit, Regressansprüche für entstandene Schäden geltend zu machen: Im Zuge des Polizeieinsatzes waren in einer mehrstündigen Aktion etliche Wohnwagen mit Brechstangen oder Bolzenschneidern aufgebrochen, Lenkradschlösser geknackt und Wagen kurzgeschlossen worden, um sie wegzutransportieren.

„Viele von uns haben anschließend Gutachten über die Schäden erstellen lassen“, sagt Bernd Welte vom lange aufgelösten Hamburger Bauwagenplatz Bambule. Ihre Anwälte hätten Jahr für Jahr durch Schreiben die Regressansprüche bekräftigt. Sollte die Polizei nun nicht zahlen, können die Reparaturkosten eingeklagt werden.  KVA