Roma-Abschiebungen: Reise des Gewissens

Niedersachsens Landtags-Innenausschuss macht sich ab Sonntag im Kosovo ein Bild der Lage der Minderheiten.

Brennpunkt im Kosovo: Behausung in Plemetina Bild: Matthias Gärtner

HANNOVER | taz Um einen Eindruck über die Lage von Minderheiten wie Roma und Sinti zu gewinnen, reist Niedersachsens Landtagsinnenausschuss ab Sonntag für fünf Tage ins Kosovo. Anträge der Opposition für einen Abschiebestopp zum Schutz vor Armut und Ausgrenzung waren erst im Frühjahr gescheitert. Als Kompromiss einigte sich der Innenausschuss danach auf die Delegationsreise.

„Ein Blick in die Karte“, sagt der Ausschussvorsitzende Johann-Heinrich Ahlers (CDU), „ersetzt nicht den Blick in die Örtlichkeit.“ Ein „persönliches Anliegen“ sei es ihm gewesen, neben Abgeordneten auch Vertreter von Kirchen und Initiativen wie dem Roma-Center Göttingen oder dem Flüchtlingsrat Niedersachsen mitzunehmen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen dort: „Wir sind zuversichtlich, dass die Ergebnisse nicht schon vor dem Start festgeschrieben sind“, sagt etwa Flüchtlingsrat-Sprecher Kai Weber. Und auch die Grünen-Politikerin Filiz Polat hofft, die Abgeordneten von Schwarz-Gelb könnten einsehen, „dass es unzumutbar ist, insbesondere Angehörige von Minderheiten und Familien in dieses Land abzuschieben.“

Die Linken-Innenpolitikerin Pia Zimmermann, auf deren Initiative die Reise zurückgeht, fürchtet, die Fahrt könne ohne Verbesserungen für die über 2.500 ausreisepflichtigen Angehörigen von Minderheiten aus dem Kosovo bleiben, die in Niedersachsen leben. Sie ist vorab ins Kosovo gereist und besucht soziale Brennpunkte wie den Ort Plemetina. Das offizielle Programm dagegen sehe eine „Postkartenreise“ vor. Der Ausschuss-Vorsitzende Ahlers findet das „nicht fair“: Neben niedersächsischen Polizisten und KFOR-Soldaten treffe man auch Organisationen wie Unicef, zudem zwei Familien, die aus Niedersachsen abgeschoben wurden. Seine Erwartung: „Dass wir kein schlechtes Gewissen haben müssen, wenn wir dorthin abschieben.“ Anderfalls, sagt der CDU-Mann, „bedarf es einer Kursänderung.“

Im Innenministerium hofft man, dass die Parlamentarier die Eindrücke von Mitarbeitern bestätigen, die Innenminister Uwe Schünemann (CDU) 2009 ins Kosovo geschickt hat. Das Fazit damals: Eine „Rückkehr“ sei unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit „möglich“. Bestärkt sieht sich das Ministerium vom Bericht einer Delegation aus Baden-Württemberg, dem ersten Bundesland, von dem aus im Januar Parlamentarier ins Kosovo reisten – und von einem „toleranten Vielvölkerstaat“ berichten. Die Folge: Der Abschiebestopp wurde aufgehoben, stattdessen ist Grün-Rot zu Einzelfallprüfungen übergegangen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.