Belastete Schilddrüsen

ATOMKRAFT Die niedersächsische Landesregierung bestätigt: Während drinnen die Brennstäbe gewechselt wurden, kam es 2011 in der Umgebung des AKW Grohnde zu erhöhter Strahlenbelastung

Alle Grenzwerte seien eingehalten worden, betont das Umweltministerium

Grünen- und Linksfraktion im niedersächsischen Landtag sind alarmiert: Dass Atomkraftwerke während der Revision besonders viele radioaktive Stoffe an die Umgebung abgeben, hat sich aus ihrer Sicht zumindest im Fall des Meilers Grohnde an der Weser bewahrheitet.

Aus der Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der Grünen geht hervor, dass die Schilddrüsen von Anwohnern während der Jahresrevision 2011 im Tagesmittel fünfmal höher belastet waren als in dem Monat davor. So stieg die tägliche Belastung im Revisionszeitraum, dem 2. Mai bis 15. Juni 2011, bei Erwachsenen ab 17 Jahren durch Inhalation von 0,62 E-10 Millisievert auf 3,18 E-10 Millisievert, bei Kleinkindern im Alter von ein bis zwei Jahren von 1,15 E-10 auf 5,98 E-10 Millisievert.

Auf das ganze Jahr 2011 bezogen, gab das AKW in den 44 Revisionstagen 66 Prozent der radioaktiven Edelgase, 52 Prozent des radioaktiven Jods sowie 71 Prozent der an Aerosole – also ein Gemisch aus Schwebeteilchen und Gas – gebundenen radioaktiven Partikel ab. Alle in der Genehmigung festgelegten Grenzwerte seien jedoch eingehalten worden, betont das Ministerium.

Das bestreiten auch die Oppositionsparteien nicht. Sie fragen sich aber, ob das Risiko sogenannter Niedrigstrahlung nicht neu bewertet werden muss. Aus Sicht der atomkraftkritische Ärzteorganisation IPPNW könnten die Belastungsspitzen bei den Revisionen in Grohnde und an anderen AKW-Standorten die erhöhten Leukämieraten bei Kindern in der Umgebung der Reaktoren erklären. 2007 hatte die Studie „Kinderkrebs um Kernkraftwerke“ gezeigt: Je näher ein Kleinkind an einem Atomkraftwerk wohnt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es an Krebs erkrankt.

Angelika Claußen vom IPPNW-Vorstand riet wegen der erhöhten Strahlung beim Brennelementetausch sogar zur Flucht. „Wenn ich kleine Kinder hätte, würde ich über Ostern in Urlaub fahren“, empfahl sie Müttern aus der Umgebung von Grohnde kurz bevor das Atomkraftwerk an der Weser Anfang April für die diesjährige Jahresrevision heruntergefahren wurde.  RP