DIE EM VOM NORDEN AUS (5)
: Mach’s – aber ohne Gummianzug!

ist nicht der Onkel des Fußballers Wayne Rooney – und eben dadurch 2006 berühmt geworden

MARTIN ROONEY

Tag eins nach dem fulminanten Sieg Deutschlands über die Niederlande. Mein alter Freund Claus aus dem Weltdorf Ober Ochtenhausen hatte mich in aller Frühe angerufen und daran erinnert, dass sich am Sonnabend der Bloomsday zum 108. Mal jähre. Spontan beschloss ich, meinen irischen Wurzeln zuliebe, mir noch einmal Joyce’s ganzen „Ulysses“ vorzunehmen. Ich nahm die alte schwarz-graue Penguin-Taschenbuchausgabe aus dem Bücherregal und vertiefte mich in die Lektüre.

Morgens um halb zehn in der Bremer Neustadt. Ein Nachbarskind, das nicht einmal sprechen kann, trötete mit einer Vuvuzela im Garten herum. Ich öffnete das Fenster und schrie immer wieder „Ruhe“, doch der Dreikäsehoch wollte nicht aufhören.

Also verlegte ich meinen Leseplatz an die Weserpromenade „Schlachte“, um das Opus magnum der irischen Literatur zu Ende zu lesen und mir abends die beiden Fußballspiele mit spanischer beziehungsweise italienischer Beteiligung im schicken Café Bar Celona anzugucken.

Am Nachmittag staunte ich nicht schlecht, als ich am Brill den neuesten Schrei der Fankultur zu sehen bekam: den Morphsuit. Es handelt sich dabei um einen elastischen Ganzkörperanzug, der in Nationalfarben oder mit Flaggenmotiven bedruckt werden kann. Ich begriff sofort: Man darf sich nicht wundern, wenn demnächst Fanhorden im schwarz-rot-goldenen Spiderman-Look durch die Straßen und Fußballstadien schwärmen.

Laut Morphsuit-Träger Alfons aus Wiesmoor kann man durch den Ganzkörper-Gummianzug „problemlos hindurchsehen und sogar -trinken – na, Prost Ostfriesland !“ Vuvuzela zu spielen dürfte dagegen schon schwieriger werden, gab er zu bedenken. „Das ist immerhin ein Vorteil dieser Ganzkörper-Gummianzüge“, dachte ich erleichtert. „Dank ihres speziellen Materialmixes sind Morphsuits sehr dehnbar, belastbar und machen alle Bewegungen mit“, verkündete der sichtlich stolze Ostfriese.

Ich hingegen blieb skeptisch. Wer – wie ich – nicht gerade spindeldürr ist, könnte in dem Outfit allerdings nicht sehr vorteilhaft aussehen, denn die überflüssigen Kilos morpht es leider nicht einfach weg.

Die Ekstase der Massen, das gemeinsame Zittern und Leiden, die Annäherung der Fans untereinander oder sogar über Nationengrenzen hinweg stelle ich mir steril und freundlos vor, wenn anstelle von Gesichtern nur noch Plastik-Köpfe zu sehen sind. Und angesichts des schwülen Klimas derzeit in Polen und in der Ukraine hoffe ich sehr, dass ein Morphsuit auch die in ihm entstehenden Gerüche davon abhält, nach außen zu dringen.