Schließung von Studentenwohnheimen: Schluss mit Kuschel-WGs

Das Göttinger Studentenwerk setzt künftig auf Massenunterbringung - aus Kostengründen. Kleine Unterkünfte sollen geschlossen werden, die Stadt will verkaufen.

Protest gegen den Verkauf: Die Studenten-Villa in der Bühlstraße. Bild: Christopher Piltz

GÖTTINGEN taz | Die Bühlstraße in Göttingen ist ein Ort mit Tradition: Gemütliche Fachwerkhäuser vom Ende des 19. Jahrhunderts. Walter Nernst hat hier mal gelebt, der 1920 für seine Arbeiten in der Thermochemie den Nobelpreis bekam. Eigentlich ein guter Ort für den akademischen Nachwuchs, der ein paar Häuser weiter, in der Nummer 28, nun auch schon gute 30 Jahre wohnt. Doch damit wird bald Schluss sein. Das Studentenwerk will den Vertrag mit der Stadt über die Nutzung des klitzekleinen Wohnheims nicht verlängern. Und die hat das das Haus am Rande der Innenstadt nun auf eine Liste von zehn Objekten gesetzt, die sie im Rahmen eines Sparprogramms verkaufen will.

Anfang der achtziger Jahre hatte das Haus leer gestanden. Die Stadt stellte es dem Studentenwerk kostenlos zur Verfügung. Lediglich zum Unterhalt verpflichtete sich das Studentenwerk vertraglich. Dieser Pflicht ist es offenbar nur teilweise nachgekommen.

Kaufen will es das Haus nun jedenfalls nicht – mit der Begründung, eine weitere Bewirtschaftung des Hauses sei zu teuer, vor allem wegen notwendiger Sanierungen von Fenstern, Heizung, Sanitäranlagen und Elektrik, wie Geschäftsführer Jörg Magull sagt. „Dazu ist es mit nur sechs Plätzen das kleinste Wohnheim.“ Die Geschäftsführung will sich langfristig von kleineren Wohnheimen trennen.

24.246 Studierende sind an der Georg-August-Universität Göttingen im Sommersemester 2012 eingeschrieben.

Für etwa 4.500 Studenten bietet das Göttinger Studentenwerk Wohnraum. Mit 18 Prozent liegt die Wohnraumversorgungsquote nach Angaben des Studentenwerkes über dem bundesweiten Durchschnitt von zehn Prozent.

Rund 1.400 Studierenden bieten die drei größten Göttinger Studentenwohnheime Platz.

Acht Wohnheime gibt es zurzeit Mit 20 oder weniger Plätzen.

40 Millionen Euro will das Studentenwerk in den nächsten Jahren in seine soziale Infrastruktur investieren.

Für die BewohnerInnen der Bühlstraße 28 kam die Entscheidung überraschend: Erst Mitte Juni erfuhren sie durch einen Artikel im Göttinger Tageblatt von dem geplanten Verkauf ihres Hauses. „Es war schon ein Schock für uns“, sagt Paul Hildebrandt. Noch wenige Wochen vorher wurde einer Mitbewohnerin vom Studentenwerk zugesichert, dass „wir uns keine Sorgen machen müssten, es würde sich eine Lösung finden“. Über den geplanten Verkauf wurden die BewohnerInnen da noch nicht informiert – obwohl bereits im November 2011 erste Gespräche zwischen Stadt und Studentenwerk stattgefunden hatten.

Die Studierenden aus der Bühlstraße hoffen noch, dass dort weiterhin Studenten wohnen können. „Wir suchen jetzt erst einmal eine Übergangslösung und hoffen, dass uns die Stadt unterstützt“, sagt Paul Hildebrandt. Sie wollen aber auch eine grundsätzliche Debatte darüber führen, wie die Stadt mit „studentisch selbst verwaltetem Wohnraum“ umgeht.

Denn der Verkauf des kleinsten Göttinger Studentenwohnheims ist kein Einzelfall. Das Studentenwerk will die Kosten pro Wohnplatz so gering wie möglich halten. „Und Wohnheime sind erst ab 200 Plätze aufwärts wirtschaftlich“, sagt Geschäftsführer Magull. „Wir haben ganz klare Richtlinien und sind an der Bewirtschaftung solcher kleinen Häuser nicht mehr interessiert.“

Magull schließt nicht aus, dass das Studentenwerk sich von weiteren kleinen Heimen trennt. Studentische Vertreter im Vorstand teilen nach taz-Informationen diese Auffassung jedoch nicht. Sie schließen die Bewirtschaftung von kleineren Wohnheimen nicht aus.

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