Pastor mit Partner

Er ist eine Ausnahme. Als Pfarrer in St. Pauli. Und als Homosexueller im Kirchendienst. Sieghard Wilm sagt: „Ich empfinde mich nicht als außergewöhnlich. Ich denke auch nicht darüber nach, dass ich zu einer Minderheit gehöre. Ich lebe einfach.“

Seit zehn Jahren wohnt der Pastor gemeinsam mit seinem Lebensgefährten in einem Pfarrhaus direkt an der Elbe. Der Kirchenkreis wollte den Einzug von Wilms Lebenspartner damals verbieten. „Das mussten wir uns erst erkämpfen, die Gemeinde stand total hinter uns“, sagt der 46-jährige Pastor. Zwei Jahre nach ihrem Einzug wurde die kirchliche Rechtssprechung geändert.

Über eine Änderung der Rechtssprechung diskutiert momentan auch die Bundespolitik. Selbst 13 CDU-Bundestagsabgeordnete fordern die steuerrechtliche Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften. „Ich finde, dass nach den Pflichten, die wir als Paar haben, nun auch die vollen Rechte dran sind“, sagt Wilm. „Es gibt für mich kein logisches Argument für eine steuerliche Ungleichbehandlung.“

Überhaupt sei seine Homosexualität in seinem Alltag auf St. Pauli fast kein Thema. Leider nur fast. Einmal wurde Wilms Gartentor beschmiert. Den Schriftzug „Schwuler Hund“ ließ er nicht gleich am ersten Tag überstreichen. Wenn er und sein Lebenspartner an einem Pulk Betrunkener vorbeigehen, können sie nicht entspannt Händchen halten. „Das ist so ein Automatismus, um Aggressionen aus dem Weg zu gehen“, sagt er.

Doch es gibt auch viele positive Erfahrungen: Alleinerziehende Mütter, die ihre Kinder nur bei ihm taufen lassen wollen. Weil er ihnen die Angst nimmt, von der Kirche als moralische Instanz verurteilt zu werden. Paare, die sich bei ihm taufen lassen wollen, weil sie ihn als einen weltoffenen Pastor schätzen. Weil er schwul ist. „Das gilt als etwas Besonderes, obwohl ich gar nichts dafür getan habe“, sagt Wilm. „Viele glauben, dass ich mit schwierigen Situationen umgehen kann, weil ich selber ungewöhnliche Wege gegangen bin.“ CBÖ