DER RECHTE RANDWORüBER IN HEUTE DER WINSENER GEMEINDERAT ABSTIMMT
: Umstrittener Ehrenbürger

Das Vergangene ist nicht vergangen. In Winsen / Luhe ragt die jüngere deutsche Geschichte gerade in die kommunalpolitische Gegenwart hinein: Heute Abend muss der Rat darüber entscheiden, was aus der Ehrenbürgerschaft des langjährigen Bürgermeisters Fritz Boistedt werden soll. Eingebracht hat den Tagesordnungspunkt Anja Stoeck, Ratsherrin der Linken. „Ich wünsche mir einen ehrlichen Umgang der NS-Vergangenheit“, sagt sie, „und hoffe, dass die Entscheidung der Ehrenbürgerschaft revidiert wird.“

Die Vergangenheit des einstigen Bürgermeisters ist dabei unstrittig: Der 1972 verstorbene Broistedt trat am 1. Mai 1937 in die NSDAP ein, hatte sich aber in einer Rede als Kreisführer des paramilitärischen „Stahlhelm“ schon 1933 zu Adolf Hitler bekannt und versichert: „Ich bin geboren, deutsch zu fühlen, bin ganz auf deutsches Wesen eingestellt.“ Ab 1934 war der frühere Marineangehörige Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, ab 1936 im NS-Marinebund.

Broistedt wurde 1947 im Zuge der Entnazifizierungsverfahren als Kategorie IV – Mitläufer – eingestuft, ein Jahr später dann allerdings als Kategorie V – Entlasteter. Erst danach durfte das spätere Mitglied der Deutschen Partei (DP) sowie der der CDU wieder öffentliche Ämter übernehmen. Dass sich die Einschätzung von Broistedts NS-Verstrickung änderte, erklärt sich Stoeck so: 1947 war an der Beurteilung noch die britische Militärregierung beteiligt, 1948 dann deutsche Kammern. „Wie viele Nazis wurde er von deutschen Stellen entnazifiziert“, sagt sie.

Die Rechtslage lässt eine posthume Entziehung der 1952 verliehenen Ehrenbürgerwürde nicht zu, allerdings könnte die Gemeinde sich davon distanzieren. Nach Auskunft des Winsener CDU-Bürgermeisters André Wiese (CDU) hat der Verwaltungssausschuss aber empfohlen, sie unbeeinträchtig bestehen zu lassen.

Hinweis: ANDREAS SPEIT arbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland