Racheakt ausgeschlossen

NAZIS Nach Angriff auf Lübecker NPD-Funktionär: 20-Jähriger unter Anklage. Hintergründe unklar

„Staatlich eingesetzte Geheimagenten haben in unseren Reihen nichts zu suchen“

AUS EINER BEKENNER-E-MAIL

Eine Prellung an der Schulter zog er sich zu: Vor seinem Wohnhaus wurde Ende vergangenen Jahres Jörn Lemke, der NPD-Vorsitzende des Kreisverbandes Lübeck-Holstein, von Unbekannten attackiert. Wie jetzt bekannt wurde, hat die Staatsanwaltschaft Lübeck einen 20-Jährigen wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung angeklagt. Dass es sich bei dem Überfall um einen „Racheakt aus der rechten Szene“ gehandelt haben könnte, hätten die Ermittlungen nicht bestätigt, so Oberstaatsanwalt Ralf Peter Anders.

Am 18. November 2012 hatten zwei Vermummte Lemke, der auch Sprecher des NPD-Landesverbandes Schleswig-Holstein ist, angegriffen, einer schlug mit einem Knüppel auf Lemkes Oberkörper. Der nun Beschuldigte soll mit laufendem Motor im Auto nahe dem Haus auf die beiden anderen gewartet haben. Zu möglichen Tätern und einem etwaigen Tathintergrund wollten die Ermittler damals nichts sagen. „Dies ist mit der Staatsanwaltschaft so auch abgesprochen“, sagte ein Sprecher der Polizei – auch als der angebliche Fahrer des Fluchtfahrzeugs den Behörden schon bekannt war.

Die Vermutung, die Täter könnten aus der rechtsextremen Szene stammen, fußt darauf, dass Lemke von einigen Kameraden verdächtigt wird, ein verdeckter Ermittler der Behörden zu sein. So bezeichneten „autonome Nationalisten“ ihn im April 2012 im Internet als V-Mann und schrieben zudem: „Wir kennen Dein Leben Jörn, (...). Vergiss nicht: Wir sind wie der Schatten in der Nacht.“ Lemke selbst stritt eine entsprechende Tätigkeit ab.

Am 29. November 2012 kursierte dann aber eine E-Mail, in der sich eine „Division antiparlamentarischer und kritischer Nationalisten Lübeck / Schleswig Holstein“ zu der Attacke bekannte. „Mit dem Angriff“, heißt es darin, „wollten wir ein Zeichen dafür setzen, dass staatlich eingesetzte Geheimagenten in unseren Reihen nichts zu suchen haben.“

Zu möglichen Tathintergründen sagte der Staatsanwalt auch gestern nichts. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens habe das Amtsgericht noch nicht entschieden.  ANDREAS SPEIT