Bei Unterschrift Outing

DATENSCHUTZ Das Kieler Umweltministerium hat Namen und Adressen von Gegnern der CO2-Verpressung in der Nordsee an die dänische Energiebehörde weitergeleitet. Die Dänen veröffentlichten die Daten nun im Internet – was nach deutschem Recht unzulässig wäre

■ „Carbon Capture and Storage“, CCS, heißt das Verfahren, mit dem CO2-haltige Abgase von Kohlekraftwerken in den Untergrund verpresst werden.

■ CCS gilt als Mittel, um weltweit den Ausstoß des Klimagases zu senken. Die EU befürwortet die Technik und verlangt von den Mitgliedsstaaten, sie zuzulassen.

■ Ein erstes CCS-Gesetz kam nach Protesten gegen eine CO2-Pipeline von Kraftwerkstandorten in den Ballungsgebieten nach Norddeutschland nicht zustande.

■ Das jetzige Gesetz gibt den Ländern die Möglichkeit, einzelne Flächen auszuschließen.

■ Nachbarländer wie Dänemark und Norwegen setzen auf CCS. Die Lager unter der Nordsee lassen sich durch deutsche Gesetze nicht verhindern.

VON ESTHER GEISSLINGER

Herr P. aus Husum hat es getan, ebenso Frau F. aus Flensburg und das Ehepaar H. aus Schafflund: Sie haben, genau wie viele andere, Widerspruch gegen die Verpressung von CO2 in den Boden unter der Nordsee eingelegt. Zu finden sind die Namen – ungekürzt und mit voller Adresse – im Internet: Die dänische Energiebehörde „Energistyrelsen“ hat einen rund 100 Seiten langen Text veröffentlicht, in dem die Anhörung zur geplanten Kohlendioxid-Speicherung dokumentiert ist. Rund 30 Seiten davon nehmen die Namenslisten der Beteiligten am Beschwerdeverfahren ein. Neben einigen Behörden oder Umweltschutzgruppen sind es überwiegend deutsche Privatleute, die im Netz geoutet werden. Die meisten leben in Nordfriesland, es sind aber auch Namen aus anderen Teilen Schleswig-Holsteins und aus Hamburg dabei.

„Wir haben einen gewissen Zweifel, ob das rechtlich so zulässig ist“, sagt Reinhard Knof, Sprecher der Bürgerinitiative „Kein CO2-Endlager“. Ironie schwingt mit: Knof ist Kummer gewohnt, seit er öffentlich gegen das CCS genannte Verfahren antritt: Er berichtet von Attacken auf seinen Computer, einer Flut von „Würmern und Viren“. Die anderen öffentlichen Gesichter der Protestbewegung hätten über Ähnliches zu klagen, auch die neutrale Adresse einer Ortsgruppe wurde lahmgelegt. „Nichts ist zu beweisen, aber es gibt eine gewisse Systematik“, meint Knof.

Dass nun aber komplette Daten „von normalen Leuten, die ganz einfach ihr Recht auf Widerspruch wahrnehmen“, veröffentlicht werden, habe eine andere Qualität. Vor allem wundert sich Knof, wie die sensiblen Daten ins Netz kommen. Denn die Widersprüche wurden nicht direkt in Dänemark eingereicht, sondern bei den deutschen Behörden: Dem für CO2-Speicherung zuständigen Bergbauamt mit Sitz in Niedersachsen (LBEG) und dem Kieler Umweltministerium, der Oberbehörde für das LBEG.

„Nach deutschen Datenschutzbestimmungen wäre die Veröffentlichung dieser personenbezogenen Daten nicht zulässig“, sagt Ministeriumssprecherin Nicola Kabel. Nun wolle das Ministerium „Kontakt mit der dänischen Seite aufnehmen, um die relevanten Fragen zu erörtern“. Zudem solle gewährleistet werden, dass die Namen nicht mit veröffentlicht werden, wenn die dänischen Unterlagen in Schleswig-Holstein „ausgelegt oder auf Seiten der Landesregierung veröffentlicht werden“. Aus dem Internet verschwinden die Daten damit aber nicht.

Besonders misslich für das Kieler Ministerium unter Minister Robert Habeck (Grüne) ist, dass es eigentlich eine Erfolgsmeldung in Sachen CCS verkünden wollte: In der heute beginnenden Parlamentssitzung berät der Landtag einen Gesetzesentwurf, mit dem einzelne Gebiete in Schleswig-Holstein von der Speicherung auszuschließen sind. Ziel soll sein, die umstrittene Klimagas-Speicherung für das ganze Land faktisch zu verbieten – das geht allerdings nur mit Sachargumenten, nicht mit dem politischen Willen.

Der Widerstand inzwischen aller Parteien im Kieler Landtag ist auch bei den Energieunternehmen angekommen. Von einer Speicherung an Land spricht heute niemand mehr – dafür wird die Variante, unter dem Seeboden zu verpressen, immer attraktiver. Das hat auch Dänemark vor, das im dänischen Sektor der Nordsee ein Gebiet zur „Exploration und Förderung von Öl und Gas und Ausschreibungen für Genehmigungen zur Injektion von CO2 in vorhandene Öl-Felder“ ausweist.

Dass die Proteste aus Deutschland diesen Plan verhindern werden, scheint wenig wahrscheinlich – aber gegen die Datenveröffentlichung will die Bürgerinitiative etwas unternehmen. Sie hat das Datenschutzzentrum in Kiel eingeschaltet. Dessen Leiter Thilo Weichert bestätigt, dass eine Veröffentlichung gegen deutsches Recht verstößt. Die Weitergabe der Daten sei im Rahmen der Amtshilfe wohl zulässig. „Offenbar besteht hier die Crux im dänischen Recht, das eine Veröffentlichung erlaubt“, sagt Weichert.

Darüber hätten die CO2-Gegner informiert sein müssen. Initiativen-Sprecher Knof: „Wir behalten uns weitere Schritte vor.“