Mehr Kinder in Obhut

JUGENDÄMTER Wenn Kinder zu Hause geprügelt werden, greifen die Behörden ein. Das passiert in Niedersachsen immer häufiger, auch weil die Bevölkerung wachsamer ist. Allerdings fehlen Pflegeeltern

„Besonders in Großstädten fehlen Familien“

ANKE KUHLS, UNI HILDESHEIM

Sie werden misshandelt, vernachlässigt oder kommen als Flüchtlinge allein in Deutschland an: 2013 haben die niedersächsischen Jugendämter 3.738 Kinder in Obhut genommen, um sie zu schützen. Das waren fünf Prozent mehr als 2012 und 27,4 Prozent mehr als 2008, wie das Statistische Landesamt mitteilte. Die erhöhte Sensibilität der Bevölkerung für den Kinderschutz sei ein Grund für den Anstieg, so ein Sprecher des Sozialministeriums. Auch wachse die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die selbst darum bitten, aus ihren Familien genommen zu werden.

Zudem kommen mehr minderjährige Flüchtlinge ohne Begleitung nach Deutschland. Auch für sie sind die Jugendämter zuständig. 2013 wurden in Niedersachsen 257 unbegleitete Flüchtlinge unter 18 Jahren in Obhut genommen, das waren 46 mehr als 2012 und fast doppelt so viele wie 2011. Im vergangenen Jahr lebten mindestens 429 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zwischen Nordsee und Harz. Das geht aus einer Umfrage hervor, die 34 von 56 niedersächsischen Jugendämtern beantwortet haben.

Ende 2012 waren landesweit 6.207 Mädchen und Jungen in Heimen und anderen betreuten Wohnformen untergebracht sowie 6.966 Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien. „Besonders in Großstädten fehlen Familien, die bereit sind, ein Pflegekind aufzunehmen“, sagte Anke Kuhls, die an der Universität Hildesheim die Lebenslagen von Pflegekindern wissenschaftlich untersucht. „Der organisatorische Rahmen ist sehr unterschiedlich, alle niedersächsischen Pflegekinderdienste arbeiten anders“, sagte Kuhls.

Die Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft für Kinder in Adoptiv und Pflegefamilien, Irm Wills, wünscht sich bundeseinheitliche Mindeststandards für die Pflegekinderdienste. Auch sollten sich Jugendämter und Gerichte bei ihren Entscheidungen, wo ein Kind leben soll, stärker nach dem Kindeswohl, und nicht nach dem Vorrecht der leiblichen Eltern richten.  (dpa)