Richtungsstreit bei AfD: „Keine Bedenken“ mehr

Der AfD-Politiker Gauland tritt bei der „Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft“ in Hamburg auf. Bislang wurde der rechte Verein gemieden.

Da gehts lang: Alexander Gauland Bild: dpa

HAMBURG taz | In bester Hamburger Lage kommt die „Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft e. V.“ (SWG) zu ihrem Seminartag zusammen. Am Samstag will die weit rechts stehende Gesellschaft im gediegenen Ambiente des Logenhauses im Stadtteil Rotherbaum „angesichts des ganz normalen politischen und gesellschaftlichen Irrsinns“ von Einwanderung bis EU-Vereinheitlichung über das „nationale Bewahren“ diskutieren.

Einer der Gastreferenten ist Alexander Gauland, stellvertretender Bundessprecher und brandenburgischer Fraktionsvorsitzender der AfD. Mit seinem Auftritt dürfte er den tobenden Richtungsstreit in der Partei befeuern.

„Ich bin da geladen“, bestätigte Gauland der taz. Nach Erbseneintopf und vor dem Sekt darf er als einer von drei Referenten zum Thema „Ein Europa selbstbestimmt vereint wirkender Vaterländer“ sprechen. Seit Längerem streitet Gauland sich massiv mit dem stellvertretenden Bundessprecher Hans-Olaf Henkel, der sich im Hamburger Landesverband um einen liberalen Parteikurs bemüht.

Am Mittwoch hatte Gauland bereits die von Henkel mit initiierte „Deutschland-Resolution“ angegriffen, eine Reaktion auf die „Erfurter Resolution“. Über die schreibt Henkel: „Wer die Erfurter Resolution unterschreibt“, der wolle eine „AfD der flachen Parolen und der schrillen Töne“. Die Partei brauche aber keine „wolkigen Phrasen aus dem Arsenal rechter Splitterparteien“.

Seit 1962 setzt sich die SWG für Volk, Vaterland und Familie ein, will das "konservative" Milieu stärken.

Der Gründungsvorsitzende Hugo Wellems, einst Referent im "Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda" von Josef Goebbels, wetterte gegen die "alliierte Umerziehung" und die "68er-Wertezersetzung".

Die Waffen-SS hat aus Sicht des langjährigen Hamburger SWG-Regionalleiters Oberst a. D. Manfred Backerra "ritterlich" gekämpft.

Über sechs Millionen ermordete Juden schrieb Menno Aden, seit 2008 SWG-Chef: "Seriöse Historiker nennen heute ganz andere Zahlen."

Als Referentin war auch Gisa Pahl schon geladen, vom Verfassungsschutz als rechtsextreme "Szeneanwältin" eingestuft. AS

Gauland dagegen will in der „Erfurter Resolution“ kein völkisches Gedankengut erkennen. Darin behauptet der Initiator Björn Höcke, AfD-Fraktionschef in Thüringen, dass die AfD sich „ohne Not (…) dem etablierten Politikbetrieb“ anpassen würde: „dem Verrat an den Interessen unseres Landes“. Zahllose Mitglieder würden aber die AfD als eine „patriotische“ Alternative und Bewegung des „freien Wortes“ gegen „Gender Mainstreaming, Multikulturalismus, Erziehungsbeliebigkeit“ ausgerichtet wissen wollen. Über 1.300 Mitglieder sollen die Resolution unterzeichnet haben.

Henkel und Gauland nehmen eine alte Kontroverse wieder auf. Nach der Hamburger Bürgerschaftswahl hatte Henkel Gauland vorgeworfen, durch die Nähe zu weit rechten Organisationen ihr Wahlergebnis geschmälert zu haben. Diese Analyse sei nicht haltbar, konterte Gauland, der vor einem zu bürgerlichen Kurs warnt.

Die Hamburger AfD hatte bislang bewusst Distanz zur SWG gehalten. Kurz vor der Bundestagswahl 2013 war der damalige Hamburger AfD-Kandidat Kay Gottschalk bei der SWG geladen. Auf Nachfragen der taz hatte er den Termin zunächst abgestritten. Mit der Einladung konfrontiert, auf der er als Redner stand, erklärte der heutige Beisitzer des Landesvorstandes dann, nicht genau zu wissen, wer die SWG sei, und sagte seinen Auftritt kurzfristig ab.

Gauland stellt sich nun geschickter an: Der Auftritt sei mit dem Hamburger Vorsitzende Jörn Kruse abgesprochen, sagt er. „Herr Kruse hatte keine Bedenken.“ Das klingt auf den ersten Blick, als wolle Gauland den laufenden Streit in der Partei nicht weiter befeuern. Könnte aber sein, dass er innerhalb des Hamburger Landesverbands das Gegenteil bewirkt: Wenn Kruse tatsächlich zugestimmt hat, könnte der Streit dort erst richtig beginnen.

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