ANDREAS FANIZADEH LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Horst Köhler, politischer Afrikaner

Was hab ich gemacht, liegt’s an mir? Am letzten Sonntag hatte ich zum ersten Mal an einer Matinee Horst Köhlers im Schloss Bellevue teilgenommen. Mein erster sollte gleich sein letzter Empfang als Bundespräsident werden. Eine Diskussion und Buchvorstellung „Schicksal Afrika“ (Rowohlt, 2010). Dass er am nächsten Tag zurücktreten würde, davon ahnte ich genauso wenig wie Kollege Bartholomäus Grill von der Zeit. Der plauderte mit dem Bundespräsidenten sowie Prinz Asserate aus Äthiopien und der Richterin Unity Dow aus Botswana auf dem Podium. Er hat dabei wohl ebenso wenig falsch gemacht wie ich, der ich aufmerksam und schweigsam dem Geschehen aus der vierten Reihe folgte.

Am Montagmorgen las ich dann im Spiegel den Köhler-Artikel (Titel: „Horst Lübke“) und musste schmunzeln. „Im Amtssitz selbst“, stand da, „kursiert bereits der Vergleich mit Vorgänger Heinrich Lübke, dem folgende Anrede zugeschrieben wird: Meine Damen und Herren, liebe Neger.“

Stimmt schon. An den Lübke-Spruch aus den 1960ern hatte ich ebenfalls denken müssen, als Köhler Tags zuvor im Schloss Bellevue von „den Burkina-Faso-Leuten“ sprach oder sich verhaspelte: „Einmal Afrika, nie wieder … äh, natürlich, ich meine: immer Afrika!“ Doch irgendwie scheine ich ein Faible für „Seiteneinsteiger“ wie Köhler zu haben, wie sie die Politik nun auf alle Fälle in seiner Nachfolge verhindern möchte. Und das auch, wenn sie wie Köhler manches zu simpel sagen. Zum Beispiel penetrant von „Afrika“ reden, wo sie doch nur die sehr unterschiedlichen schwarzafrikanische Staaten meinen. Dies einschränkend angemerkt, kann man Köhlers Engagement sonst aber als humanistisch und glaubwürdig bezeichnen.

Und so wurde Köhler vielleicht selber zum Afrikaner der deutschen Politik. Zu einem, der auf Schloss Bellevue ähnlich isoliert saß wie ein Flüchtling im Camp auf Lampedusa. Ein aus einfachen Verhältnissen zum IWF-Direktor Aufgestiegener, der vielleicht eine komplett andere Auffassung vom Regieren und Schuldenmachen hat als seine früheren Freunde von CDU und FDP. Köhlers Gewissen scheint unüberwindlicher als die Meerenge von Gibraltar.

■ Der Autor leitet das Kulturressort der taz Foto: privat