WOLFGANG GAST LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Wikileaks und deutsche Infrastruktur

Wikileaks überstrahlt seit zwei Wochen alle anderen politischen Themen. Selbst die Pläne des deutschen Innenministers Thomas de Maizière, Bundespolizei und Bundeskriminalamt zu fusionieren, können die Berichte über düpierte Diplomaten und aus dem Ruder gelaufenen nahöstlichen Königshäusern nicht toppen.

Die Enthüllungen von Wikileaks geben zwar einen kleinen Einblick in die Welt der Diplomatie. Neue Erkenntnisse liefern sie nicht. Als einer der Kollateralschäden darf die neu angefachte Diskussion über das Geheimnis an sich gesehen werden. „Es gibt ein öffentliches Interesse daran zu verstehen, wie es in der Welt zugeht und was in unserm Namen getan wird. Es gibt auch ein öffentliches Interesse daran, dass Vertraulichkeit in der Diplomatie gewahrt bleibt.“

Das schreibt der britische Historiker Timothy Garton Ash, um dann zum Ergebnis zu kommen: „Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal in einer freien Gesellschaft liegen zwei legitime öffentliche Anliegen im Konflikt miteinander.“

Etwas tiefer ins Detail steigt die Autorin Anna Daun. Sie untersucht in ihrem gerade erschienenen Buch „Auge um Auge?“ (VS-Verlag für Sozialwissenschaften) die nachrichtendienstlichen Beziehungen zwischen der Deutschland und den USA. In dem streng wissenschaftlich verfassten Band findet sich manches über widerstreitende Interessen in einer freien Gesellschaft.

Darunter etwa die Einschätzung eines früheren CIA-Mitarbeiter über die Bundesrepublik im Zusammenhang mit der von der CIA organisierten Verschleppung von Terrorverdächtigten: „Deutschland hat eine unglaubliche Infrastruktur, die wir nutzen konnten, wann immer wir wollten, auch im Irakkrieg. Deutschland hat die besten Straßen; Flughäfen und überhaupt die vermutlich beste Infrastruktur und das beste Transportsystem der Welt. Dessen Nutzung ist nicht nicht unser Geburtsrecht. Das ist eine enorme Unterstützung“.

Mal sehen, ob Wikileaks auch davon berichtet.

Der Autor ist Redakteur der taz Foto: privat