„Hochzeitsprämie“ für Fusionen

Während das Bundesfinanzministerium die armen Bundesländer mit unzureichenden Hilfen in die Knie zwingen will, winkt Sachsen mit einer hoch dotierten Mitgift für willige Länder

VON KLAUS WOLSCHNER

Das Land Bremen könnte sich eine „Hochzeitsprämie“ im Wert von sieben Milliarden Euro verdienen, wer kann bei so einer Mitgift das Ja-Wort verweigern? Eben – das ist der Sinn der Sache. Erfunden wurde der Terminus von Sachsen, es geht um die Änderung des Artikels 29 des Grundgesetzes, das heißt die Erleichterung von Länderfusionen.

Am 3. September geht es in die Endrunde der Verhandlungen der Föderalismuskommission, im Hinblick auf dieses Datum werden derzeit die Folterinstrumente auf den Tisch gepackt. Während das Bundesfinanzministerium den Vorschlag eingebracht hat, Länder mit Haushaltsnotlage sollten die sozialen Leistungen unter die bisher bundesweit geltenden Ansprüche kürzen und die Steuern für die Landeskinder erhöhen, hat das Land Sachsen sich Gedanken gemacht über die Frage, wie man den derart gequälten Bürgern den Weg zur Länderfusion erleichtern könnte.

Eine Abschaffung des Volksentscheids schlägt dabei Sachsen nicht vor, Begründung: Gegen die deutliche Mehrheit der Bürger werde kein Politiker für eine Fusion votieren. Das Problem wird eher darin gesehen, dass die Mehrheit eher trotzig, desinteressiert oder genervt der Abstimmung fern bleiben könnte. Bisher gilt ein Quorum von 25 Prozent Beteiligung an einer Volksabstimmung, das soll aus Artikel 29.8 des Grundgesetzes gestrichen werden.

Gleichzeitig, so der sächsische Vorschlag, soll das Argument, dass zwei Länder durch eine Fusion finanzielle Verluste erleiden würden, durch die „Hochzeitsprämie“ entkräftet werden. Konkret: Wenn Bremen und Niedersachsen fusionieren würden, droht derzeit ein jährlicher Verlust von rund 500 Millionen Euro jährlich, weil die besondere „Einwohnerwertung“ für die Bremer Bürger wegfallen würde. Über 10 bis 15 Jahre soll im Länderfinanzausgleich in einem Fusionsfall die alte, höhere Summe gezahlt werden, so der sächsische Hochzeits-Vorschlag.

Bremens Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) hat gestern dem Berliner Senat scharf widersprochen, der das Modell aus dem Bundesfinanzministerium begrüßt hatte, wie notleidende Bundesländer über eine „Konsolidierungshilfe“ zur finanzpolitischen Disziplin gezwungen werden sollen. (vergleiche taz vom 21. August) „Nicht akzeptabel“ sei das Modell des Bundesfinanzministers, sagte sie. Offenbar gebe es dort wenig Kenntnis der „realen Lebensverhältnisse“ in den Haushaltsnotlage-Ländern.

Bremen habe dargelegt, dass es bei den Ausgabenarten unter dem liegt, was die Stadtstaaten Hamburg oder Berlin pro Einwohner ausgeben. Nach dem Vorschlag von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) würde Bremen über fünf Jahre „Konsolidierungshilfen“ von rund 170 Millionen Euro pro Jahr bekommen unter der Bedingung, in dieser Zeit das strukturelle Defizit von 700 Millionen Euro schrittweise auf Null zu bringen. Linnert: „In Bremen würde dann nur das halbe Bafög gezahlt, das halbe Erziehungsgeld, das halbe Wohngeld – wo leben wir eigentlich?“ Auch für eine Sozialdemokratische Partei müsse ein derartiger Vorschlag schlicht inakzeptabel sein.

Der Vertreter der SPD-Bundestagsfraktion in der Föderalismuskommission, der Bremer Abgeordnete Volker Kröning (SPD), nennt den Vorschlag des Bundesfinanzministeriums einen taktischen „Eröffnungs-Zug“ für die Verhandlungen der kommenden Wochen und betont gegenüber der taz: „Ich weiß, was Bremen braucht.“