„Islamkritik muss sein“

GLAUBEN Ditib und Uni Bremen lassen Religionswissenschaftler über Islam diskutieren

■ promoviert am Institut für Islamstudien der Uni Frankfurt über zeitgenössische Koranhermeneutik.

taz: Herr Günes, Sie sprechen heute über Islamkritik und Islamophobie. Viele Muslime halten dies für dasselbe – Sie auch?

Serdar Günes: Nein, ich finde Kritik kann und sollte sich der Islam leisten. Problematisch wird es, wenn es in Ressentiments übergeht, wenn pauschalisiert wird. Wichtig wäre, Kriterien aufzustellen, nach denen das eine vom anderen unterschieden werden kann.

Um dann das eine zu verbieten – so wie es auch schon Vertreter muslimischer Organisationen in Bremen gefordert haben?

Nein, Meinungsfreiheit bedeutet, dass jeder seine Meinung äußern kann – auch wenn sie mir nicht gefällt. Ich habe aber die Möglichkeit, diese zu kritisieren. Auch hart, wenn mir das sinnvoll erscheint.

Wozu braucht es dann die Unterscheidung?

Es gibt, auch von den bekannten Islamkritikern, Äußerungen, die Individuen und Gruppen Eigenschaften unterstellen. Wenn beispielsweise Menschen mit einem islamischen Glauben dargestellt werden, als seien sie Sklaven ihrer Religion, als hätten sie nur diese eine Identität. Oder wenn man so tut, als würden alle muslimischen Männer regelmäßig ihre Frauen verprügeln und als wäre jede Kopftuchträgerin zwangsläufig unfrei. In letzter Zeit lese ich oft in deutschen Feuilletons, dass Muslime eine zersetzende Gruppe seien, die sich „wie Ratten vermehren“, „sich in der Gesellschaft einnisten“, dass „der Islam die Welt erobert“. Und natürlich, dass der Islam an sich nicht fähig sei zur Aufklärung.

Sehen Sie das anders?

Ja. Der Koran wurde seit seiner Entstehung permanent ausgelegt, nicht historisch-kritisch wie die Bibel, aber man hat ihn in seinem Kontext verortet.

Und wie legen Sie ihn aus?

Ich finde, dass er historisch-kritisch gelesen werden sollte und dass Wissenschaftler von Verbänden darin nicht eingeschränkt werden dürfen.

Interview: eib

Podiumsdiskussion „Islambild im Westen“: Haus der Wissenschaft, Sandstraße 1, 18 Uhr