„In Anlehnung an Kant “

BILDUNG Der zweite Bremer Kinder- und Jugendhilfetag untersucht Bildungsbegriffe

■ Professor für Sozialpädagogik in Darmstadt und Leiter des Bremer Instituts für Soziale Arbeit an der Hochschule.

taz: Herr Bettinger, was ist ein hegemoniales Bildungsverständnis?

Frank Bettinger: Das erkläre ich Ihnen gerne, aber grundsätzlich geht es uns im Rahmen der Tagung erst mal darum, den Begriff „Bildung“ als solchen zu klären. Wir unterstellen nämlich, dass häufig angenommen wird, Bildung sei ein eindeutiger Begriff, an dem sich alle pädagogischen Institutionen auszurichten haben.

Und hegemoniale Bildung?

Das ist ein Bildungsbegriff, den wir insbesondere an Schulen finden und der so beschrieben werden könnte, dass die Ziele von Bildungsprozessen darin bestehen, junge Menschen dazu zu animieren, sich Wissen anzueignen und es im Rahmen von Prüfungen wiedergeben zu können.

Meinen Sie, dass die dort nur für spätere Jobs lernen?

Das genau ist unsere Befürchtung! Dieser Bildungsbegriff, so wie er momentan in der öffentlichen und politischen Diskussion verstanden wird, scheint wie eine Art trojanisches Pferd verwendet zu werden. Junge Menschen sollen dazu motiviert werden, eigenverantwortlich Leistung zu erbringen und zwar nicht für sich selbst, sondern vor allem für den Arbeitsmarkt.

Welchen Bildungsbegriff setzen Sie dem hegemonialen entgegen?

Wir sind der Ansicht, dass Bildung viel umfassender ist. Wir sagen, dass Kinder und Jugendliche gerade in pädagogischen Prozessen die Möglichkeit erhalten sollten, die Bedingungen des eigenen Lebens und die der Gesellschaft zu reflektieren und – in Anlehnung an Kant – lernen sollen, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen und gegebenenfalls Widerspruch zu wagen.

INTERVIEW: HEH

9.30 Uhr, Universität Bremen, GW1