„Sagen Sie nicht Buch!“

WAHLRECHT Landeswahlleiter Jürgen Wayand plädiert fürs Stimm-Heft bei der Bürgerschaftswahl – und erwartet, dass der öffentliche Dienst das Auszählen übernimmt

■ ist seit 2008 Bremens Landeswahlleiter und seit August auch Leiter des Statistischen Landesamtes

INTERVIEW BENNO SCHIRRMEISTER

taz: Herr Wayand, hoffen Sie bei der Bürgerschaftswahl auf eine möglichst niedrige Beteiligung?

Jürgen Wayand: Nein, im Gegenteil. Wieso sollte ich?

Naja, je weniger Stimmen, desto früher liegt das Ergebnis vor …

Nein, das will ich natürlich nicht: Dann hätte das neue Wahlrecht auch ein wichtiges Ziel vorerst verfehlt. Die Hoffnung ist ja gerade, dass die Beteiligung wenn nicht steigt, dann doch wenigstens nicht weiter zurückgeht.

Ist das nicht bereits eine Herausforderung, weil die Zahl der Wahlberechtigten deutlich wächst?

Sie meinen durch die 16- bis 18-Jährigen? Das sind so viele nicht, das macht im Land rund 10.000 Stimmberechtigte aus. Und dass die Grundgesamtheit steigt, ist ja für sich genommen kein Grund, dass die Beteiligung sinkt.

Bloß wissen viele 16-Jährige noch gar nicht, dass sie kommendes Jahr wählen dürfen.

Das ist wahr, zum Teil wissen die das noch nicht. Das soll sich aber ändern: Uns ist klar, dass wir diese ErstwählerInnen erreichen müssen. Dafür wird es eine eigene Informationskampagne geben, bei der ganz gezielt die Oberstufen der Schulen angesprochen und mit dem neuen Wahlrecht vertraut gemacht werden …

dessen Premiere ja auch Ihre erste Wahl in Bremen ist.

Nur meine erste Bürgerschaftswahl: Ich habe hier schon eine Europawahl und eine Bundestagswahl geleitet, nicht zu vergessen die Wahlwiederholung in Bremerhaven.

Ein neuralgischer Punkt: Grund für die waren Auszählungsfehler – und das beim wenig komplexen alten Wahlrecht. Werden WahlhelferInnen diesmal besonders geschult?

Diejenigen, die im Auszähl-Zentrum arbeiten, müssen natürlich intensiv vorbereitet werden. Für die in den Wahllokalen ändert sich nicht viel, besser gesagt: Für die ist sogar ein bisschen weniger zu tun. Sie zählen nämlich nicht mehr aus. Sie müssen nur die Stimmzettel durchzählen und mit dem Wählerverzeichnis vergleichen, darüber eine kurze Niederschrift anfertigen und das dann versiegeln. Ausgezählt wird nur in der zentralen Einrichtung.

Von Sonntag bis …?

Wir erwarten, dass das Ergebnis Donnerstag nach der Wahl vorliegt.

Und – bekommen die HelferInnen Geld?

Ein Erfrischungsgeld.

Aber wer kann sich denn leisten, drei bis vier Tage …?!

Nein, das kann sich kaum jemand leisten, da haben Sie recht. Das muss anders organisiert werden. Da muss der öffentliche Dienst MitarbeiterInnen für frei stellen.

Und die Stadtverwaltung kommt zum Erliegen?

Es ist nicht völlig auszuschließen, dass einzelne Ämter in der Zeit geschlossen bleiben. In Frankfurt am Main, wo es ein vergleichbares Kommunalwahlrecht gibt, hat zum Beispiel das KfZ-Zulassungsamt ein paar Tage dichtgemacht. Das ist halt der Preis.

Für einen Statistiker ist das ja erfreulich, eine solide Datenbasis abwarten zu dürfen – und nicht frühzeitig wackelige Hochrechnungen rausblasen zu müssen.

Das wäre schön, wenn dem so wäre! Ich hatte das auch ursprünglich gehofft. Aber das hat sich schnell zerschlagen. Die Politik kann offenbar gar nicht damit leben, wenn am Wahlabend noch kein Ergebnis vorliegt.

Aber das kann sich ja noch stark ändern, die AuszählerInnen müssen doch immer den ganzen Leporello-Bogen oder das komplette Wahlbuch …!

Sagen Sie nicht Buch! Es wird so ungefähr den Umfang eines Hefts bekommen. Und der Zettel kann kein Leporello sein, sondern müsste konventionell mehrfach auf die Hälfte gefaltet werden.

Und was wird es nun?

Das entscheide nicht ich, sondern die Innendeputation. Ich favorisiere aber ganz klar ein Stimmzettel-Heft, nicht nur, weil wir für eine, salopp gesagt, Wahl-Tapete neue Wahlkabinen, größere Urnen und andere Tische in den Wahllokalen bräuchten. Ein Heft ist handlicher, nur in dem Format bekommen wir die Wahlvorschläge in einer auch für alte Menschen gut lesbaren Form dargestellt, nur in dem Format können wir Schablonen für Sehbehinderte und Blinde anbieten – das ist schon eine ganze Reihe wichtiger Vorzüge.