Zwölfender im SPD-Zoo wieder willkommen

WAHL Langjährige SPD-Abgeordnete dürfen nun doch erneut kandidieren. Mit Möhle und Reinken präsentiert die Partei zwei Wirtschaftspolitiker sehr unterschiedlicher Herkunft als „Seiteneinsteiger“

Die stadtbremischen SPD-Ortsvereine setzen die als „Zwölfender-Regel“ bekannte Restriktion gegen altgediente Abgeordnete faktisch außer Kraft. Eigentlich sollen die Abgeordneten des SPD-Unterbezirks (UB) „Stadt“ maximal drei Legislaturperioden im Parlament bleiben – vor vier Jahren fielen dieser Maßgabe einige renommierte FachpolitikerInnen zum Opfer. Gestern veröffentlichte der UB eine Kandidatenliste, auf der alle sieben der derzeit elf Zwölfender stehen, die zur Wahl antreten wollen. In einigen Ortsvereinen sind sie sogar Allein-Kandidaten.

Dazu gehören neben Parlamentspräsident Christian Weber, für den schon immer eine Ausnahme gemacht wurde, Jürgen Pohlmann, Birgit Busch und Winfried Brumma. Die vier übrigen „Alt-Abgeordneten“, unter ihnen der erst 31-jährige Zwölfender Thorsten Ehmke und Uta Kummer, haushaltspolitische Sprecherin, verzichteten dem Vernehmen nach freiwillig.

Insgesamt nominieren die Ortsvereine 51 KandidatInnen, darunter 22 Frauen. Das Durchschnittsalter ist um zwei auf 47 Jahre gestiegen, zehn Kandidaten haben einen Migrationshintergrund. Als „Seiteneinsteiger“ präsentierte UB-Vizechef Frank Schmitz gestern Dieter Reinken und Klaus Möhle. Letzterer ist allerdings eher ein Seitenwechsler: Seit 1996 vertrat er die Grünen im Parlament. Sein Übertritt zur SPD sei keineswegs ein „Deal“ zum Mandatserhalt gewesen, betont Möhle. Die Grünen sähen Umweltschutz zu sehr „unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten“, sagt ihr früherer wirtschaftspolitischer Sprecher. Stattdessen müsse man „Marktimpulse positiv nutzen“.

In der SPD fühlt Möhle sich „sehr freundlich behandelt – in Gegensatz zur letzten Zeit bei den Grünen“. Im Gegenzug attestiert Schmitz, Möhle könne schon „sehr authentisch ‚liebe Genossen und Genossinnen‘ sagen“. Das allerdings konnte Möhle bereits in seiner radikaleren prägrünen Politikphase. Er ist Kandidat des UB Stadt, da er sein Lehmhaus in der Lesumer Ökosiedlung verlassen hat und nun in Walle wohnt.

Seiteneinsteiger Dieter Reinken ist ebenfalls Wirtschaftspolitiker, aber gänzlich anderer Provenienz als Möhle. Reinken war lange Betriebsrat bei den Stahlwerken und erster Bevollmächtigter der IG Metall. Sein parteipolitisches Coming-out hatte Reinken als Reaktion auf die Gründung von „Arbeit für Bremen“ (AfB). Reinken sagt rückblickend etwas durch die „Patrioten“-Gründung recht aktuell Klingendes: „Als die AfB behauptete, den Kaisen’schen Schulterschluss zwischen Arbeiter- und Kaufmannschaft zu erneuern, wollte ich Flagge zeigen.“

Weitere Weichen werden Ende Oktober bei der Klausur der Mandatskommission der Landes-SPD gestellt. HB