Hintergründe eines dramatischen Brandeinsatzes: Feuerwehr auf Tauchstation

Es war knapp bei dem Brand am Dienstag. Es hätte Tote geben können, obwohl die Bremer Feuerwache 1 gleich um die Ecke ist. Der Grund: Personalmangel.

Hoch loderte das Feuer in der Ellhornstraße. Mehrere Polizeiwagen sind da, nur von Löschzügen war lange Minuten nichts zu sehen Bild: Archiv

Um 14.52 Uhr ging bei der Bremer Feuerwehr am Dienstag die Brand-Meldung ein: In der Ellhornstraße brannte ein Gardinenladen lichterloh. Direkt um die Ecke Am Wandrahm liegt die Hauptfeuerwache 1.

"Eigentlich hätte der Löschzug eine Minute nach der Meldung des Brandes vor Ort sein müssen", sagt der Gewerkschaftssekretär Matthias Hoffmann, der für die Feuerwehr-Leute zuständig ist. War er aber nicht. Der Löschzug stand da in der Garage. Ein Feuerwehrmann, der den Brand roch, lief mit einem Handlöscher zu Fuß zu dem brennenden Haus und schaute auf die hoch lodernden Flammen. Am Fenster im ersten Stock stand eine Familie und wartete auf Hilfe.

Sie musste länger warten. Passanten, die das dramatische Schauspiel verfolgten, empfanden es als eine kleine Ewigkeit. Was war los mit dem Löschzug in der Hauptfeuerwache 1? Der stand da und bewegte sich nicht - die Löschmannschaft, die 24 Stunden Dienstbereitschaft hat auf diesem Feuerwehrwagen, war bei einer Tauchübung.

Das ist normal, sagen Feuerwehrleute. Denn aufgrund des Personalmangels werden Positionen immer wieder "doppelt" besetzt. Das heißt: Dieselben Feuerwehrleute, die ganz offiziell ihren Tauchkurs absolvieren, sind gleichzeitig eingetragen als Besetzung des Löschzuges. Und sind nicht da, wenn es brennt.

Immer wieder hörten sie in den bangen Minuten nach 14.42 Uhr die Feuerwehr-Sirene, berichten die Passanten, die der Familie zugebrüllt hatten, sie sollten sofort die Fenster schließen, damit sie nicht vom dichten Qualm vergiftet würde.

Ein Polizeiwagen tauchte auf, ein zweiter, rund sieben Polizeiwagen standen schließlich da, und die Beamten waren genauso hilflos wie der einsame Feuerwehrmann mit seinem Handlöschgerät. Ein PKW der Feuerwehr, das Einsatzleitfahrzeug, war auch da und konnte nichts machen.

Eine der Passantinnen zückte ihren Fotoapparat und machte Aufnahmen, zwei, drei, vier, zehn ... Die Familie war hinter dem Qualm schon verschwunden, da tauchte endlich der erste große Feuerwehr-Wagen auf - kein Löschzug, sondern ein Drehleiter-Wagen. Er war von der Feuerwache 4 in der Woltmershauser Allee gekommen.

Ohne groß über die Gefahr nachzudenken, in die er sich begab, ließ sich der Feuerwehrmann Volkhard Fechtmann auf der Leiter durch den Qualm hochdrehen vor das Fenster, direkt neben die Flammen, um die dort wartende fünfköpfige Familie rauszuholen. "Das war in allerletzter Minute", sagt die gerettete Mutter.

Die Löschfahrzeuge kamen dann von der Feuerwache 2 in Hastedt und von der Feuerwache 5 in Gröpelingen. "Am Wandrahm hat es zum Glück keine toten Anwohner und verletzte Feuerwehrleute gegeben", sagt der Ver.di-Sekretär.

Der Hinweis auf die verletzten Feuerwehrleute spielt auch auf ein anderes Problem an: Die Besatzung eines Löschzuges darf eigentlich nur in eine brenzelige Situation in ein brennendes Haus hineingehen, wenn ein zweiter "Sicherungstrupp" bereitsteht, "unsere Leute im Notfall rauszuholen", sagt der Gewerkschaftsvertreter. Das bedeutet: Die erste Löschzug-Besatzung müsste in solchen Fällen eigentlich warten, bis die zweite kommt.

Es gibt in der Hauptwache aber nur einen Löschzug. Und in Bremen-Nord, wo kilometerweit keine zweite Feuerwache existiert, wurde der zweite Löschzug auch weggespart. "Diesmal ist es noch einmal gut gegangen, aber wie lange noch", fragte der Ver.di-Mann. Pro Jahr würden 2.700 Schichten, das sind 24-Stunden, als Überstunden gemacht, um den Dienstbetrieb überhaupt aufrechterhalten zu können.

Das entspricht 30 Stellen. Zum Beispiel ist nach einem Gerichtsurteil die wöchentliche Arbeitszeit eines Feuerwehrmannes von 56 auf 48 Stunden abgesenkt worden - ohne dass das fehlende Personal ersetzt wurde. Um die Personaleinsparungen der letzten Jahre insgesamt auszugleichen, müssten 80 neue Stellen geschaffen werden, sagt Ver.di. Durch die "Personalunion" komme es manchmal zu "nicht ganz unerheblichen Belastungen", räumt der Pressesprecher der Feuerwehr ein.

Die Bremer gesetzliche Vorgabe, dass die Feuerwehr spätestens zehn Minuten nach der Brandmeldung zumindest mit den ersten Kräften vor Ort sein soll, sei in dem konkreten Fall aber "mehr als erfüllt" worden. "Personalunion" bedeutet zum Beispiel, dass die Besatzung eines Löschzuges mit Alarmbereitschaft auf Tauchkurs ist.

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