Kein Mann ohne Magie

SZENISCHE LESUNG Joshy Peters und Götz Otto widmen sich Billy The Kid – zwischen Rekonstruktion und Dekonstruktion und mit Freude am kleinen Grusel zwischendurch

Im Dezember wurde das Gebäude, in dem sich seit 1976 das Packhaustheater befindet, an den Bremer Unternehmer Rolf Specht verkauft und allen Mitarbeitern des Theaters, das erst im September 2009 eine neue künstlerische Leitung bekommen hatte, gekündigt. Joshy Peters, künstlerischer Leiter, betont, die Stadt Bremen habe der Komödie im Schnoor ein Mitspracherecht bei der Wahl des neuen Käufers zugesagt. Allerdings verkündete Specht kurz nach dem Kauf der Immobilie, Dirk Böhling werde künstlerischer Leiter des Theaters. Bis Ende Mai wird noch unter dem Logo der „Komödie im Schnoor“ gespielt, dann laufen die alten Verträge aus und das Haus wird saniert.

www.packhaustheater.de

von Andreas Schnell

„Wenn die Magie nicht funktioniert, bleibt von einem Mann nichts übrig“, sagt Joshy Peters zu Götz Otto. Die Frage ist: Interessiert uns das Geburtsdatum von dem Mann, den sie Billy the Kid nennen? Wollen wir wissen, wie er wirklich hieß? Beides ist im übrigen so schwer zu klären, wie es den Mythos zerstören würde – oder, je nach Standpunkt, zumindest teilweise konstituiert.

Diese Diskussion steht am Anfang der aus Zeitnot zur szenischen Lesung gewordenen Performance „Billy the Kid“, die am Donnerstagabend in der Komödie im Schnoor zur Uraufführung kam. Zwar so gesehen ein Provisorium, bot der Abend dennoch Unterhaltung mit Bildungsmehrwert.

Mit wenigen Mitteln war das kleine Theater mit Wild-West-Flair angehaucht. Und sowohl Joshy Peters als auch Götz Otto sind schon von Berufs wegen der Cowboy-Darstellung nicht abhold und ritten einst gemeinsam bei den Bad Segeberger Karl-May-Festspielen. Aber anstatt, wie die Werbung durchaus suggerieren konnte, Reiterromantik mit breitkrempigen Hüten zu liefern, verschneidet die Produktion biographische Erzählungen mit zeitgenössischen Medienberichten – und nicht zuletzt historischen und sittengeschichtlichen Betrachtungen der Zeit und der politischen Verhältnisse, in der eine Biographie wie die von Billy the Kid erst möglich werden konnte.

Nämlich dort, wo es zwar bereits kapitalistische Geschäftsinteressen mitsamt der daraus folgenden antagonistischen Konkurrenz gab, aber eben (noch) keinen Staat, der die Konkurrenten zwang, ihre Gegensätze rechtsförmig auszutragen. Was auch bedeutete, dass die Herstellung von Recht und Ordnung selten ohne den Einsatz von Gewalt vonstatten ging. So berichten Peters und Otto auch vom Umgang des Staats mit der Volksseuche Syphilis, der im wesentlichen darin bestand, dass die mutmaßlich betroffenen Frauen interniert und mit Quecksilber behandelt wurden und viele diese Rosskuren nicht überstanden.

So nehmen die beiden Schauspieler Billy the Kid dann eben, durchaus auch mit Humor, doch die „Magie“, ohne dass er sich dadurch in nichts auflöste.

■ bis 27. Februar und 2. bis 6. März, Mittwoch bis Samstag, 20 Uhr, Sonntag, 18 Uhr, Komödie im Schnoor – Packhaustheater